Wie das Kaninchen vor dem Lockdown

Nun ist die zweite Welle auch bei uns in Lübeck angekommen. Helle Aufregung entstand dabei gestern, als die 7-Tage-Inzidenz mit einem Mal über 35 hüpfte. Man rechne nun auch mit einem Überschreiten der Grenze von 50 bis übermorgen, sagte Bürgermeister Lindenau noch im eilig reaktivierten LN-Livestream auf Facebook. Einen Tag später ist auch diese Einschätzung Geschichte, denn bereits heute steht die Inzidenz bei 50,8.

Was mich erstaunt: trotz der Entwicklung in ganz Deutschland, die es ja absehbar gemacht hat, dass nun auch nicht gerade Lübeck das gallische Dorf aus dem Comic sein würde, das als letztes dem Virus widersteht, ist die Überraschung über die plötzliche Dynamik doch reichlich groß. Entsprechend hilflos fallen die Maßnahmen aus, die kurzfristig beschlossen wurden:

  • Maskenpflicht in den Straßen der Altstadtinsel und auf der Promenade in Travemünde
  • eine Sperrstunde für die Gastronomie zwischen 23 und 6 Uhr
  • der Außerhausverkauf von Alkohol, bspw. an Tankstellen wird ebenfalls in dieser Zeit verboten
  • die Besucherzahlen von Veranstaltungen werden eingeschränkt, bleiben aber hoch
  • bei Treffen und Feiern zu Hause, dürfen nur noch maximal 15 Personen zusammen kommen
  • der Weihnachtsmarkt im Dezember ist abgesagt
  • die nordischen Filmtage finden komplett online statt, ohne Veranstaltungen in Kinos.

Eine Maskenpflicht auch draußen mag ja sinnvoll sein, aber die Einschränkung auf bestimmte Straßen und Plätze macht solche Regelungen unverständlich und kompliziert, sie müssen dann jetzt erstmal von Ordnungshütern durchgesetzt werden, die dann anfangs auch erstmal kulant sein müssen, bis das greift (ohne zu klären ob es etwas hilft) dauert es eine ganze Zeit. Ich habe auch nichts davon gehört, dass es jetzt eine erhöhte Ansteckungsgefahr im Freien gäbe, an der Promenade in Travemünde hat man im Sommer nich die Leute gestapelt und fröhlich verkündet, im Freien könne ja quasi nichts passieren. Dass der Weihnachtsmarkt abgesagt wurde ist zwar konsequent, aber auch keine schnell wirkende Maßnahme, das er überhaupt weiter geplant wurde, war der eigentliche Anachronismus. Und die nordischen Filmtage waren eh zum großen Teil bereits auf Streaming umgestellt. Allein die Sperrstunde geht das Problem der Ansteckung in Kneipen, wie in der Hamburger „Katze“ an, aber auch davon hat man in Lübeck vorher nichts gehört.

Das Problem ist, dass niemand zu wissen scheint, wo sich die vielen Leute aktuell anstecken. Die Nachverfolgung funktioniert schon lange nicht mehr dergestalt, dass die Gesundheitsämter nicht feststellen können, wo sich jemand infiziert hat. Das mag zum einen daran liegen, dass die Auswahl zu groß ist (die Party am Wochenende, die Afterhour zu Hause, der Besuch auf Omas Geburtstag, mit dem Bus zur Arbeit und abends Restaurant, Kino und Kneipe) und das im nicht privaten Bereich auch einfach schwierig herauszufinden ist, wo wer aufeinander getroffen ist. Die Corona-App hätte hier helfen können, aber die Mehrheit der Bevölkerung ist das ja alles viel zu egal, um sich so ein App aufs Handy zu laden. Bleiben die Ansteckungen im privaten Umfeld, zu denen die Ämter leichter Zugang haben und wo auch der Auskunftswille größer ist (die eigene Familie schützen, da das geht). Deswegen ist immer davon die Rede, dass die Leute sich im Privaten anstecken würden, dabei ist das eben nur der kleine Teil der Ansteckungen wo das eben klar ist. Ein klassischer Denkfehler.

Wir hätten den virusmilden Sommer nutzen können, unsere Infrastruktur, unsere Schulen, unsere Arbeitsstätten, vor allem aber unsere Einstellung vorzubereiten auf den lang und breit vorhergesagten harten Herbst. Stattdessen haben wir uns in nutzlosen Diskussionen mit Nazis, Impfgegnern, Veganköchen und anderen Realitätsverweigerern eingelassen. Stattdessen sind wir in den Urlaub gefahren. Stattdessen haben wir uns eingebildet, alles sei doch nicht so schlimm und am Ende doch nur Panikmache.

Monatelang haben Politiker immer wieder betont, es gäbe so wenig Ansteckungen, weil sich die Leute an die Regeln hielten. Hatte man einen anderen Eindruck, wurde einem direkt wieder Panikmache und Schwarzmalerei vorgeworfen. Und nun behaupten die gleichen Politiker, die Bürger seien nicht einsichtig genug und appellieren eindringlich, jetzt doch endlich Abstände einzuhalten und Masken zu tragen. Sonst drohr der Lockdown.

Stattdessen hat man den Sommer über mit Nichtstun verbracht. In den Schulen gibt es keine Hepafilter. Nicht mal CO2-Messgeräte. In den Gesundheitsämtern wird noch per Fax kommuniziert, mit Papier und Bleistift Buch geführt. Am Sonntag sind sie geschlossen und sonntags finden auch keine Tests statt. Es sind noch immer nicht alle Testlabore an das Corona-App-Meldesystem angeschlossen. Es liegen nicht einmal vorbereitete Maßnahmenkatalogen in den Rathausschubladen, es gibt keine Idee, was zu tun ist.

Nennt mich Sirene, aber ich sage: der Lockdown wird kommen.

Der Mäusemord von Benthullen

Ein Dorf bei Wardenburg, das wiederum bei Oldenburg liegt. Dort, wo ich jetzt zu Hause bin, muss ich immer betonen „Oldenburg in Oldenburg“, nicht in Holstein. Benthullen ist Station Nummer 3 meiner Umzug-Serie, die ich schon viel zu lange vernachlässigt habe.

Im Bettkasten unter meinem Schlafsofa lebte eine Maus. Das war ihr Fehler.

Das Haus war ein selbst gebautes Holzhaus, im hinteren Teil eines Waldgrundstücks. Natürlich gab es dort Mäuse. Nachts konnte man zwischen den Wänden herumlaufen hören, was ich zwar zunächst unheimlich fand, aber ich war doch stets müde oder beraucht genug trotzdem einzuschlafen. Als ich allerdings entdeckte, dass sie direkt unter uns aus der Füllung einer alten Bettdecke sich ein Nest baute, da musste etwas gemacht werden. Man kann in so einem Fall bestimmt viele Dinge tun, beispielsweise jemanden beauftragen, der sich mit so etwas auskennt.

Oder man geht halt selbst auf die Jagd. Blöde Idee.

Von irgendwoher hatten wir eine Mausefalle, so die ganz klassische, mit Federmechanismus. Ich habe mal später gelesen, dass man da keinen Käse hineinlegen soll als Köder, das würde nur bei Tom & Jerry funktionieren. Wussten wir damals aber nichts davon. Und die Maus irgendwie auch nicht. In der ersten Nacht hat sie sich den Käse geklaut.

Beim zweiten Versuch hat es leider besser geklappt. Mitten in der Nacht tut es mit einem Mal einen lauten Knall: Die Falle ist zugeschnappt! Und als wäre die Einsicht, dass man jetzt gerade ein wahrscheinlich ganz niedliches Tier gekillt hat nicht schlimm genug, ist die Maus gar nicht tot. Stattdessen macht sie einen fürchterlichen Krach, lautes herzzerreissendes Fiepen. Am Genick eingeklemmt in die Falle, rast sie mit letzterer durch den Raum und poltert dabei ganz unheimlich. Eine echte Horrorszene.

Das alles passiert natürlich im Dunkeln. Also ich raus aus dem Bett und mache das Licht an. Die Maus hört nicht auf zu fiepen, leidet augenscheinlich Höllenqualen. Ich muss irgendetwas tun, schreit Nellie mich an. In Panik (im Affekt) schnappe ich mir eine leere Weinflasche, die auf dem Tisch steht und schlage damit ohne hinzusehen in Richtung des armen Tiers. Natürlich daneben. Der zweite Schlag hat dann gesessen.

Wir sind dann auch relativ bald aus Benthullen weggezogen.

Ich bin Klempner von Beruf

Ich bin Klempner von Beruf
Ein dreifach Hoch dem der dies gold’ne Handwerk schuf
Denn auch in den größten Nöten
Gibt es immer was zu löten
Immer wieder gibt es Pannen
An WCs und Badewannen
Ich bin Klempner von Beruf

Sang einst Reinhard Mey in seinen jungen Jahren. Das pfeife ich vor mich hin, wenn ich zum imaginären Binford-Werkzeuggürtel greife und an die Arbeit gehe, die kleinen, aber doch herausfordernden Handwerksarbeiten zu verrichten, die doch immer wieder mal anfallen. Vor Corona ließen wir für so was Handwerker (selten :innen) kommen und ich konnte meine beiden linken Hände in die Tasche stecken und zusehen, wie explodierte Gas-Thermen, kaputte Geschirrspüler oder ein leckender Drufi repariert oder ausgetauscht wurden. Doch harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen und da sich auch mein Beruf immer mehr vom Künstler zum Handwerker wandelt, gibt es keine Ausreden mehr, nicht selbst zu Rohrzange und Schraubendreher zu greifen, kaputter geht schließlich immer.

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Alfred E. Neumann ist tot

Alfred E. Neumann
Herbert Feuerstein, *1937 †2020

Herbert Feuerstein habe ich über Schmidteinander kennengelernt und ich war dann baff erstaunt (Schluck!), zu erfahren, dass er viele Jahre der Chefredakteur des MAD Magazin war und damit einer der Helden meiner frühen Jugend (und ein Wegbereiter in die Comicleidenschaft).

Artikelbild: Alfred E. Neuman, Foto von Nathan Rupert unter Creative Commons Lizenz BY-NC-ND 2.0.