Was passiert nach den Demos?

Thema:

Ein paar Gedanken zu den Demonstrationen gegen die AfD und wie es damit weitergehen sollte.

1992, nach dem rassistischen Mordanschlag von Mölln, bin ich zusammen mit meinen Geschwistern und meinen Eltern und über einer Million Menschen auf die Straße gegangen, zu den „Lichterketten“. Es war ein tolles Gefühl zu einer so großen Gruppe von Menschen zu gehöre und die Aufnahmen des Lichtermeers aus der Vogelperspektive machten ein eindrucksvolles Bild in den Abendnachrichten. Die Demonstrationen waren nicht mit einer bestimmten Forderung verknüpft, sondern eher mit dem Wunsch zu zeigen, dass wir die Gewalttaten nicht akzeptieren und solidarisch sind, mit den Opfern und Verfolgten der rechtsextremen Gewalttäter*innen.

Die erste Lichterkette hatte am 6. Dezember 1992 stattgefunden. Das ist zufällig der gleiche Tag, an dem sich die Spitzen der CDU/CSU und der SPD darauf einigten, die rassistischen Verbrechen auf ihre Art loszuwerden, nämlich indem sie den Forderungen der Täter*innen nachgab. Die Parteien beschlossen den sogenannten Asylkompromiss und setzen diesen Beschluss 1993 (zusammen mit der FDP) auch um. Das schrankenlose Asylrecht wurde aus dem Grundgesetz gestrichen und durch eine Reihe von Regelungen ersetzt, die es zwar nicht abschafften, aber seine Erlangung quasi verunmöglichten.

Ich sehe da eine ganz gefährliche Parallele zu den Demonstrationen die heute stattfinden und bei denen ich natürlich auch wieder dabei bin. Millionen gehen auf die Straße um gegen die Deportationspläne der Rechtsextremen von AfD bis Werteunion zu demonstrieren. An einigen Orten wird damit die Forderung nach einem AfD-Verbot verbunden, im Wesentlichen geht es aber nur ganz allgemein gegen Rechts. Wir wollen ein Zeichen setzen, zeigen dass wir mehr sind.

Dass das stimmt, also das mehr Menschen die AfD ablehnen, als sie wählen, muss allerdings erst in drei Wahlen in diesem Jahr bewiesen werden. Gleichzeitig allerdings, während wir demonstrieren gehen, beschließt der Bundestag weitere Einschränkungen der Rechte von Flüchtlingen in Deutschland, mit dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“ sollen mehr Menschen in ihre Heimat abgeschoben werden können. Wieder ist der Regierung einmal völlig egal, wieviele Millionen auf der Straße sind, ihre Mitgliedsparteien rufen sogar noch zu den Demonstrationen auf, trotzdem imitieren sie mit ihrer Realpolitik eher den rechten Mob.

Das soll nicht heißen, dass die Demonstrationen nichts bringen oder das falsche Mittel wären. Aber die Erfahrung zeigt eben, dass sie nicht ausreichen. Es muss ein danach geben, ein Angebot für die nun aktivierten Menschen, um das reine auf die Straße gehen in eine politische Bewegung zu überführen. Denn sonst geht am Sonntagabend die letzte Demonstrantin nach Hause und die Sache schläft im selben Moment wieder ein.

Nur gegen die AfD zu sein reicht möglicherweise nicht aus. Die kratzt sich ja bisher nicht sonderlich an den Protesten, wiegelt ab, verbreitet Fakenews macht sarkastische Bemerkungen. Vor Angst zittern sieht wohl anders aus. Sicher ist, selbst wenn die Forderung nach einem Verbotsverfahren erfüllt würde, würde das doch noch Jahre dauern. Die Wahlen finden aber in diesem Jahr statt und so müssen viel mehr die Wähler*innen der AfD abgehalten werden, diese zu wählen. Es kann sein, dass die Demos dort ein wenig nutzen, Leuten zeigen, dass sie auf der falschen Seite stehen. Auch die Eröffnung eines Verbotsverfahrens würde vielleicht einige abhalten, die AfD zu wählen. Aber da fehlt halt trotzdem noch der entscheidende Schritt.

Wir brauchen eine andere Politik in diesem Land, um den Rechtsextremismus in die Schranken zu weisen. Und so wie sich die Lage darstellt, ist das auch immer eine Politik gegen die Regierung, die vor den Rechtsextremen katzbuckelt und mit ihrer unsozialen Politik das Land in genau die falsche Richtung führt. Eine Regierung deren Finanzminister versucht (€) die Bauernproteste gegen Bürgergeldempfänger*innen populistisch auszuspielen. Deswegen muss es nach den Demonstrationen weitergehen, nein, erst richtig losgehen. Ich hoffe auf den Demos finden sich genug Menschen, die das zusammen in die Hand nehmen wollen. Ich werde dabei sein.

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