Ich stelle mich an die Schlange an der Theke an und schaue zum Rufer hinüber, der ganz nervös auf seinem Stuhl hin- und herrückt, wohl weil ich nicht direkt zu ihm gekommen bin. Aber ich kenne ihn ja auch gar nicht, denke ich eben so zu mir, da springt er auf, geht schnurstracks auf mich zu und stellt sich vor. „Hallo Christoph“, da war es wieder, hatte ich doch richtig gehört, „ich bin Tobi“. Aha! Der kennt Christoph also auch nicht! „Hallo“, breites Lächeln, „ich bin Nico.“
Tobis Gesicht entgleitet ihm für einen Moment. Dann ein verschwitztes Lachen. Hach wie peinlich. Er sagt etwas über meinen Bart und Doppelgänger und geht vollends iritiert zurück zu seinem Platz. Ich bekommen den bestellten Kaffee. Beim rausgehen rufe ich noch schnell: „Tschüß Tobi!"
Alle Namen, außer meinem geändert ↩︎
1992, nach dem rassistischen Mordanschlag von Mölln, bin ich zusammen mit meinen Geschwistern und meinen Eltern und über einer Million Menschen auf die Straße gegangen, zu den „Lichterketten“. Es war ein tolles Gefühl zu einer so großen Gruppe von Menschen zu gehöre und die Aufnahmen des Lichtermeers aus der Vogelperspektive machten ein eindrucksvolles Bild in den Abendnachrichten. Die Demonstrationen waren nicht mit einer bestimmten Forderung verknüpft, sondern eher mit dem Wunsch zu zeigen, dass wir die Gewalttaten nicht akzeptieren und solidarisch sind, mit den Opfern und Verfolgten der rechtsextremen Gewalttäter*innen.
Die erste Lichterkette hatte am 6. Dezember 1992 stattgefunden. Das ist zufällig der gleiche Tag, an dem sich die Spitzen der CDU/CSU und der SPD darauf einigten, die rassistischen Verbrechen auf ihre Art loszuwerden, nämlich indem sie den Forderungen der Täter*innen nachgab. Die Parteien beschlossen den sogenannten Asylkompromiss und setzen diesen Beschluss 1993 (zusammen mit der FDP) auch um. Das schrankenlose Asylrecht wurde aus dem Grundgesetz gestrichen und durch eine Reihe von Regelungen ersetzt, die es zwar nicht abschafften, aber seine Erlangung quasi verunmöglichten.
Ich sehe da eine ganz gefährliche Parallele zu den Demonstrationen die heute stattfinden und bei denen ich natürlich auch wieder dabei bin. Millionen gehen auf die Straße um gegen die Deportationspläne der Rechtsextremen von AfD bis Werteunion zu demonstrieren. An einigen Orten wird damit die Forderung nach einem AfD-Verbot verbunden, im Wesentlichen geht es aber nur ganz allgemein gegen Rechts. Wir wollen ein Zeichen setzen, zeigen dass wir mehr sind.
Dass das stimmt, also das mehr Menschen die AfD ablehnen, als sie wählen, muss allerdings erst in drei Wahlen in diesem Jahr bewiesen werden. Gleichzeitig allerdings, während wir demonstrieren gehen, beschließt der Bundestag weitere Einschränkungen der Rechte von Flüchtlingen in Deutschland, mit dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“ sollen mehr Menschen in ihre Heimat abgeschoben werden können. Wieder ist der Regierung einmal völlig egal, wieviele Millionen auf der Straße sind, ihre Mitgliedsparteien rufen sogar noch zu den Demonstrationen auf, trotzdem imitieren sie mit ihrer Realpolitik eher den rechten Mob.
Das soll nicht heißen, dass die Demonstrationen nichts bringen oder das falsche Mittel wären. Aber die Erfahrung zeigt eben, dass sie nicht ausreichen. Es muss ein danach geben, ein Angebot für die nun aktivierten Menschen, um das reine auf die Straße gehen in eine politische Bewegung zu überführen. Denn sonst geht am Sonntagabend die letzte Demonstrantin nach Hause und die Sache schläft im selben Moment wieder ein.
Nur gegen die AfD zu sein reicht möglicherweise nicht aus. Die kratzt sich ja bisher nicht sonderlich an den Protesten, wiegelt ab, verbreitet Fakenews macht sarkastische Bemerkungen. Vor Angst zittern sieht wohl anders aus. Sicher ist, selbst wenn die Forderung nach einem Verbotsverfahren erfüllt würde, würde das doch noch Jahre dauern. Die Wahlen finden aber in diesem Jahr statt und so müssen viel mehr die Wähler*innen der AfD abgehalten werden, diese zu wählen. Es kann sein, dass die Demos dort ein wenig nutzen, Leuten zeigen, dass sie auf der falschen Seite stehen. Auch die Eröffnung eines Verbotsverfahrens würde vielleicht einige abhalten, die AfD zu wählen. Aber da fehlt halt trotzdem noch der entscheidende Schritt.
Wir brauchen eine andere Politik in diesem Land, um den Rechtsextremismus in die Schranken zu weisen. Und so wie sich die Lage darstellt, ist das auch immer eine Politik gegen die Regierung, die vor den Rechtsextremen katzbuckelt und mit ihrer unsozialen Politik das Land in genau die falsche Richtung führt. Eine Regierung deren Finanzminister versucht (€) die Bauernproteste gegen Bürgergeldempfänger*innen populistisch auszuspielen. Deswegen muss es nach den Demonstrationen weitergehen, nein, erst richtig losgehen. Ich hoffe auf den Demos finden sich genug Menschen, die das zusammen in die Hand nehmen wollen. Ich werde dabei sein.
]]>Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen, also die laufen alle frei rum, weder in Ketten gefesselt und auch mit irgendwelcher Büßerkappe am Kopf, also das habe ich noch nicht gesehen. Also, wo diese Meldungen herkommen, ich weiß es nicht. Also, ich habe mir vom arabischen Raum […] ein anderes Bild gemacht und ich glaube, mein Bild ist realistischer
Foto: Bert Verhoeff for Anefo via Wikimedia Commons unter CC BY-SA 3.0 NL.
]]>Well… ich hatte ein paar Honigwein zu viel und auch etwas Sekt, also ließ ich mich auf das Abenteuer ein. Und um es mal vorweg zu sagen: ich habe mich durchaus amüsiert. Ob das nun am Film oder am erwähnten Honigwein lag, ich bin unsicher. Meine Frau war eher enttäuscht, dies aber wohl aus ihrem Interesse an Rollenspielerei heraus, das ich kaum teile. Womit schon einiges über den Film verraten ist.
Ich kann ihm zu Gute halten, dass er keinerlei Einstiegshürden für Leute in den Weg stellt, die gerade nichts mit Pen-and-Paper anfangen können oder ein paar Wein zu viel hatten. Er hat viel Humor und wenig Ernsthaftigkeit, entleiht diesen Humor jedoch oft aus vielerlei Vorlagen und schwankt dabei in der Qualität zwischen Siegfried und Monty Python. Die Spanne der Lustigkeiten reicht dabei von Special-Effects-gestütztem Slapstick (Simons Zauberkünste), Parodien auf andere Fantasyfilme (der übergewichtige Drache) bis hin zu völligen Albernheiten (wie das Interviewen nahezu aller Toten einer Schlacht). Ich habe gelacht.
Die Besetzung ist gut und die Figuren sind gut gezeichnet. Nur, was macht da eigentlich Hugh Grant? In welchem Drehbuch dieser Welt steht, es würde ein Bösewicht in Form eines englischen, optimistischen Liebeskomödien-Schlingels gebraucht? Eben. Hugh Grant fällt vor allem dadurch auf Hugh Grant zu sein und dass ich daran hier schon drei Sätze verschwendet habe, offenbart wahrscheinlich den Grund seines Engagements. Ich persönlich kriege jedenfalls die Pocken, wenn der irgendwo auftaucht.
Fazit: ja, ruhig anschauen, vielleicht vorher ein paar Weinchen trinken und den Hugh-Grant-Filter aktivieren. In diesem Sinne jedenfalls richtet der Film keinen Schaden an.
]]>NuDisco und Discohouse-Sounds mit heftigem Einschlag aus der 80ern, vor allem aber 70er Jahren haben mir den Sommer versüst. Über einiges dabei musste ich herzlich lachen, über „Egyptian“ von Ghostbusterz beispielsweise, weil ich dabei immer die Coverversion von den Ärzten im Ohr hatte und nicht das Original. Erkenntnis des Jahres: es wird wirklich alles remixed oder gemashupped, was nicht bei drei auf dem Baum ist und die Artists haben dabei so einen Output, dass führt schon zu sehr seltsamen Produktionen.
So bin ich zum Jahresausklang wieder zu deeperen Töne zurückgekehrt und bloß weil ich nicht mehr auftrete (knick, knack!), muss ich ja nicht mit dem Mixen aufhören. Ich bin noch lange nicht alt, ich will spazieren gehen!
Apropos deep. Deep Techno ist auch 2023 weiterhin ein Ding für mich gewesen. So die ganz atmosphärischen Sachen, wie von Hypnus, beispielsweise Bioluminescence von Luigi Tozzi. Düster muss es sein, wirklich düster (frage mich gerade, ob das norddeutsch ist, also düster).
Das mag aber auch eine Flucht vor den immer höheren BPM-Zahlen sein, die das Jahr so erlebt hat. Als Techno-Opa darf ich mich da zum Glück auf die guten alten Zeiten zurückziehen und das habe ich ausgiebig getan. Das geht auch in doppelter Ausführung, beispielsweise indem ich alte Remixe noch älterer Schinken für mich wieder entdeckt habe. Oder gleich die alten Scheiben von 94 aus dem Schrank ziehe, anstatt digital zu mixen.
An mir gescheitert sind auch in diesem Jahr wieder die Algorithmen der Musikstreamingdienste (Apple Music und Spotify). Die Playzahlen für einzelne Stücke sind meistens bei eins, angeblich fünf Mal und damit Spitzenreiter, habe ich angeblich das hier gehört. Never! Und „Cosmic Thing (30th Anniversary Expanded Edition“ habe ich nur 32 Mal gehört? Halte ich ebenfalls für Blödsinn. Aber besonders schön finde ich meine Top-Genres (laut Apple):
Beeindruckend.
Pop ist für mich das Gedudel im Supermarkt, wo viel zu laut Mainstreamiges zwischen die Regale gekotzt wird, unterbrochen von noch dümmerer Werbung für die „Highlights der Woche“. Oder anders: normalerweise kann ich dem nicht viel abgewinnen. Oder eher gar nichts. Es gibt allerdings Ausnahmen.
Die eine Ausnahme ist Urlaub! Im Urlaub, den ich mit der weltbesten Dänemark-Urlauberin an meiner Seite meist ebenda verbringe, schalte ich gerne schon vor der Grenze einen der dänischen Dudelsender ein, die neben dem Dümmsten und Blödesten (blød steht im Dänischen bekanntlich für weich) gerne auch mal dänischen Pop. Marie Key beispielsweise, oder Nephew oder Nephew und Marie Key (aber das ist auch schon wieder so viele Jahre her).
Und Norwegen… Norwegen ist ja quasi Dänemark nur mit Bergen, da ist Aurora auch schon nicht mehr weit, die zweite Ausnahme. Die junge Norwegerin rannte mit 18 schon mit den Wölfen (gut), coverte später Massive Attack (fantastisch)! Am liebsten hörte ich aber auch 2023 immer noch:
Und 2024 fahren wir dann wieder nach…
Header- und Coverbild: Created with DALL·E(3).
]]>Der politische Podcast hat mich quasi reradikalisiert. Wie heißt es so schön? Wer als 20-Jähriger kein Linker ist, hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch ein Linker ist, hat keinen Verstand. Wer mit 55 nicht wieder Linker ist, hat nichts kapiert! Oder so ähnlich. Ich höre jedenfalls streng links. Da ist zunächst der Jacobin-Podcast „Hyperpolitik“ mit Ines Schwerdtner. Dessen Motto…
Alles ist politisch, nichts ändert sich: Wir leben im Zeitalter der Hyperpolitik.
…halte ich für eine äußerst passende Analyse unserer Zeit.
Auch sehr informativ, wenn man sich für neomarxistische Theorien (und Geographie) interessiert: David Harvey‘s Anti-Capitalistic Chronicles. Der Podcast bietet…
Dialectical analyses of the capitalist totality through a Marxist lens.
… und David Harvey ist einfach ein sehr interessanter Typ.
Über die Serie „Elon Musk Unmasked“ bin ich an „Tech Won’t Save Us" geraten. Das Motto der Show müsste mal upgedated werden (Metaverse?), aber es ist trotzdem verständlich:
The metaverse and web3 are the latest in a long line of commercial frameworks the tech industry has tried to force on us to enhance its power and profits. Instead of falling for the PR, Paris Marx speaks with experts every Thursday to dissect what new technologies and the companies behind them are doing to our world, and why we should stop them.
Headerbild: Created with DALL·E
]]>Jedenfalls schaue ich viel Fernsehen. Dafür gehe ich kaum ins Kino. Das heißt, genauer gesagt, bin ich 2023 überhaupt nicht im Kino gewesen. Was genau so oft ist, wie ich auch schon 2022 oder 2021 dort war. Und es lag nicht mal ausdrücklich an der Pandemie.
Ach so, warum ich das mit den Streamingdiensten eigentlich erwähnt habe: mein Jahreshighlight habe ich dort gar nicht gesehen, sondern das gab es in der Arte Mediathek. „This Is England“ (Pilot, Staffel 1-3). Film und Serie wurden zwar schon zwischen 2006 und 2015 heraus gebracht, aber mir sagt ja nie jemand etwas. Das hatte dieses Jahr aber auch etwas Methode, also Mediatheken zu nutzen und Serien zu schauen, die schon etwas älter sind.
Oder auch viel älter: das Jahr begann ich mit allen in der ZDF-Mediathek verfügbaren Folgen von „Der Kommissar“ und dann „Der Alte“. Und natürlich „Derrick“, aber da ließ die Nostalgie-Anfall glücklicherweise nach.
Aber natürlich kann ich mir auch bei den Streamingsdiensten alte Schinken anschauen. Bei Disney zum Beispiel meine Alltime-Lieblingskrimis „French Connection“ und „French Connection II". Disney hatte ich re-abonniert, weil mich „Loki“ interessierte, derzeit wartet die zweite Staffel darauf, dass ich Zeit dafür habe, aber im Vergleich loooooost das neue Zeug gegen das alte.
Auf Wow habe ich beispielsweise gleich mal die dritte Staffel von „Twin Peaks“ geschaut. Und bis heute weiß ich noch immer nicht, ob ich Kyle MacLachlan genial oder komplett blöde fand. David Lynch jogifliegt mir ja schon lange an Arsch vorbei.
Den Shootout der Streamingdienste hat bei mir wohl eindeutig Apple TV+ gewonnen. Nach dem tränenreichen Abschied von Ted Lasso habe ich dort „Foundation“ gesehen, wobei ich die zweite Staffel als eher schwierig empfunden habe. Etwa so wie „Infiltration“, aber es geht anderseits nichts über ein schönes Alien-Angriffs-Epos. Aktuell habe ich „Monarch“ angefangen, aber Kurt Russel ist einfach unerträglich. „Slow Horses“ (Staffel 2) ist hervorragend, nur muss ich dort wöchentlich auf neue Folgen warten, was mich irre macht. Ich warte allerdings brav auf die zweite Staffel von „Severance“.
Immer noch beliebt bei uns: Anime. Im Sommer gab‘s hier ein Rebinge von Sailor Moon, was zwar sehr kultig ist, aber auch reichlich schlecht gealtert (und eher etwas für die niemals Erwachsene an meiner Seite). Shōnen gab‘s dafür für mich auch, komischerweise allerdings mit dem deutlichen Trend zur Realverfilmung. Gerade habe ich Yū Yū Hakusho angefangen (und bin begeistert), der Hit des Jahres war für mich allerdings One Piece (beide Netflix).
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]]>Laut Vorgabe habe ich rund 50% meiner Arbeitszeit zu Hause verbracht, die andere Zeit im Office. Ich weiß, für die Welt ist das normal geworden, für mich ist das immer noch großes Wort, leicht ausgesprochen. Ich bin so ein fürchterlicher Gewohnheitsmensch, wie sonst ist erklärbar, dass ich seit gut 20 Jahren mit der Bahn pendle? Als ein solches Gewohnheitstier habe ich wohl jedes Mal Anpassungsschwierigkeiten, im Büro genauso wie im Homeoffice. In dem einen komme ich nie richtig an, im anderen fühle ich mich nie richtig zu Hause… oder war es umgekehrt? Hybrid hingegen kann ich ganz gut, arbeite ich doch schon viele Jahre in örtlich verteilten Teams. Finde ich aber trotzdem immer noch nicht praktisch.
Thematisch war 2023, jenseits, dass ich es natürlich liebe Webentwicklung zu machen und noch aus der kleinsten Zeile CSS etwas Freude für mich herausquetschen kann, für mich persönlich ein Griff in die sprichwörtliche Kloschüssel. Dabei habe ich mich jeweils um wirklich große und wichtige Dinge zu kümmern gehabt: die Neuaufstellung unserer Customer Behaviour Platform ebenso wie die Neuausrichtung unserer Consent Management Platform. Etwas zuviel Platform mithin, weil wenn es nicht die eigene ist, geht es bei solchen Dingen nach hinten raus immer um third party und nach vorne raus ist meist auch kein Blumentopf zu gewinnen. Chefthemen könnte ich auch mir selbst in die eigene Tasche lügen, Fakt ist aber, dass ich die Welt in diesem Jahr nur sehr wenig mit neuem CSS, ausgefeilten Programmen oder noch mehr Zugänglichkeit besser gemacht habe. Das blieb meinem Team überlassen, das zu leiten meine dritte Aufgabe im letzten Jahr war.
Immer mal wieder erwähne ich während der Arbeit mein Alter, ist mir aufgefallen. Mal unwillkürlich als Koketterie oder auch weil ich mich gerade über mich selbst ärgere. Mal auch erzwungen, weil ich oft in Vorstellungsrunden, nachdem vor mir Leute erzählt haben, dass sie „neu sind bei ZEIT ONLINE, frisch von der Uni“, oder „seit zwei Jahren und vorher Medieninformatik, Philosophie und Landwirtschaft studiert haben“, derjenige bin, der sagen muss: „ich bin seit 17 oder 18 Jahren hier, wieviel genau habe ich vergessen und auch was ich hier mache und was ist das eigentlich für ein Meeting“ und dann lacht niemand mehr wirklich. OK, ganz so dramatisch ist es nicht, aber das Thema creept sich von hinten an mich heran.
Dabei geht es erstmal gar nicht ums Mitkommen, da schaden mir eher Zeiten, an denen ich nicht richtig am Code arbeite (s.o.), sondern so ein gelangweiltes „den Fehler haben wir schon gemacht“-Gefühl. Ich habe immer gesagt, ich bin so lange bei ZEIT ONLINE, weil ich jeden Tag etwas neues gemacht habe in der Zeit, wir uns x-mal neu erfunden haben und ich immer die Chance hatte, neue und interessante Dinge auszuprobieren. Neue Dinge machen wir immer noch, ich finde sie aber mitunter immer weniger interessant. Und das „Hab ich euch ja gesagt“-Gefühl ist auch stark gewesen in diesem Jahr, zum Glück haben wir viele dieser Dinge, die 2023 endgültig für tot erklärt wurden, nie gemacht. Falls jemand noch einen Tipp für the next dead thing sucht, wir machen auch kein Tailwind… just saying.
Das ist alles weder schlimm, noch macht es mir besonders Sorgen, es ist nur anders. Es ist einfach so ein Gefühl, das schwierig zu beschreiben ist, aber zum Glück hat es jemand für mich getan: Jeremy Keith in seinem Talk zur border:none 2023. Für mich der beste Talk des Jahres…
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]]>2023 war, wider erwarten, ein ganz guter Jahrgang für Aktivitäten in und um Socialmedia. Nach meiner Ankunft im Fediversum in 2022, habe ich meine Präsenz dort zu einer angenehmen Größe ausgebaut. Ich folge zur Zeit etwas mehr als 250 Leuten dort, meinen Feed haben knapp unter 300 abonniert. Das entspricht glaube ungefähr meiner Bubble seinerzeit bei Twitter, wo ich rund 1000 Follower hatte (aber auch nur rund 300 gefolgt bin). Die inhaltliche Qualität bei Mastodon ist aber, auch im Gegensatz zu Twitter damals, um so viele Längen besser! Es ist eine gänzlich andere Community im Gegensatz zu Twitter, die ich mir da zusammengeklickt habe, ein ganz anderer Vibe. Natürlich ist dadurch der Bubble-Effekt noch viel größer. Mastodon erweitert meinen Horizont, aber vornehmlich in die eine Richtung, die ich quasi durch Kuration selbst eingestellt habe. Das ist erstmal eine super Sache. Nicht wenig Anteil daran hat sicherlich auch die Instanz, auf der ich es mir eingerichtet habe. digitalcourage.social, der Mastodon-Server des Vereins Digitalcourage, hat bisher alles richtig gemacht und mit einem kleinen, fast schon symbolischen monatlichen Obolus sorgen alle dort dafür, dass das so bleibt.
Ich traue Mastodon, dem Fediverse und das dahinter stehenden Protokoll Activity Pub inzwischen eine Menge zu, es scheint seinen break even tatsächlich zu erreichen. Und es scheint auch robust genug zu sein. Und vielfältig: es gibt immer noch Friendica-Instanzen (auch neue), die mehr in Richtung Facebook gehen, Peertube (dessen Zweck aus dem Namen ablesbar ist) oder neue Dinge wie Firefish, was eine Art Mastodon auf Steroiden (und mit Markdown!) ist. Ich glaube inzwischen sogar, dass dieses Auenland es aushalten kann, wenn Sauron seine kalte Hand nach ihm ausstreckt.
Folge mir auf Mastodon, ich bin dort @nicobruenjes@digitalcourage.social. Falls du nur meine Toots in deinem RSS-Reader lesen willst, geht das unter https://digitalcourage.social/@nicobruenjes.rss (wie geil ist das denn?!).
Bluesky hingegen ist mir bis dato noch ein Rätsel. Seine Genese liegt mir eigentlich viel zu sehr in Twitter verankert, als dass ich es gut finden kann. Und das Geschäftsmodell socialmedia by company halte ich und hielt ich schon immer, für grundfalsch. Aber Bluesky hatte sein Momentum, gefühlt für ein Wochenende, als die deutsche Ex-Twitteria die Rückkehr zum Algorithmus predigte und es sich wohl einen Tag wie Tiwtter in seiner Anfangszeit anfühlte.
Dieses Strohfeuer ist möglicherweise schon wieder vorbei, denn obwohl ich einen Bluesky-Account habe seit ein paar Wochen, will mir der Algorithmus scheinbar die große german bubble nicht zeigen. Aber vielleicht bemühe ich mich auch nicht genug, oder verweigere mich jenen Leuten zu folgen, die mich schon auf Twitter immer genervt haben, mit ihrer Großmäuligkeit. Aber: natürlich war ich neugierig. Und: mir fehlen immer noch einige Techaccounts, mit denen ich auf Twitter seinerzeit viel kommuniziert habe. Die sind aber auch nicht auf Bluesky, sondern wohl zu LinkedIn abgewandert. Und das ginge mir dann doch zu weit…
Das einzig spannende an Bluesky ist, dass ich mir meine seit Jahren zu höherem gedachte aber bis dat brach liegende Domain nicobruenjes.dev als Handle dort einrichten konnte. Und so kannst du mich dort dann auch finden, als @nicobruenjes.dev.
… existiert nicht mehr. Ich habe in diesem Jahr nicht nur Twitter endgültig den Rücken gekehrt, ich habe auch meinen Facebook-Account endgültig gelöscht. Das war noch insofern ein lustiges Erlebnis, als dass ich vorher allen, die ich sonst wirklich nur auf Facebook erreichen konnte, vorher meine Kontaktdaten gesendet habe und das noch am selben Tage, mehrere Mails, Signal- und Telegrammessages eingingen. So habe ich am Tag meines Facebook-Ausstiegs ohne Facebook mehr mit meinen Freunden kommuniziert, als in mindestens drei Jahren davor mit. Say no more.
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]]>True Crime ist nach den Männer-im-Dritten-Reich-Dokus wahrscheinlich die ekelhafteste Form des Dokutainments. Für „John Lennon: Murder Without a Trial“ haben die Produzenten aus einem gigantischem Fundus an Augenzeugen und Sequenzen auswählen können. So hochgejazzt diese aber auch sind: der Taxifahrer, der die Tat gesehen hat, der Polizist der in dem Fall ermittelt hat, der Staatsanwalt, der Anklage erhob und so weiter, so platt ist das, was sie zu berichten haben. John Lennon wurde vor seinem Wohnhaus erschossen, der Täter war entweder mutmaßlich verrückt oder geltungssüchtig oder verrückt geltungssüchtig, jedenfalls starb Lennon einen sinnlosen Tod. Alle Sensationsgier erlischt in eben dieser Sinnlosigkeit.
Komplett lost wird die Serie zudem, als sie versucht an Verschwörungstheorien anzuknüpfen, indem die Überwachung Lennons durch das FBI ins Spiel gebracht wird. Und zu guter Letzt geht es dann nur noch um den Täter und dessen möglichen Motiv, durch den Anschlag berühmt zu werden. Wobei dieses Machwerk einer Dokumentation dann einen nicht zu verachtenden Beitrag leistet. Herzlichen Glückwunsch.
Foto: Neptuul unter CC BY-SA 3.0.
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