The Last Of Us – Part II
In diesem Podcast habe ich jüngst erfahren, dass ich Leute kenne, die an Videospielen[1] nichts mehr hassen, als die Handlung und dementsprechend jede Cutscene sofort wegdrücken. Ich gehöre zur genau gegenteiligen Fraktion: ich spiele Spiele für die Handlung, für die Cutscenes und vor allem und am liebsten sehe ich[2] solche Spiele, die eher interaktive Filme sind, als Spiel.
Mein liebstes Spiel in dieser Klasse war bisher „The Last Of Us“, das es sogar zu einer eigenen Serien-Verfilmung gebracht hat und dessen Remake ich auf der Playstation 5 zum ersten Mal gespielt habe. Im Januar ist die geremasterte Version des zweiten Teils erschienen und „The Last Of Us – Part II“ setzt noch einmal neue Maßstäbe in Sachen filmischer Interaktivität. Kaum neun Monate später, habe ich endlich Zeit gefunden, diesen zweiten Teil durchzuspielen.
„The Last Of Us“ handelt von einer sehr speziellen Zombie-Pandemie: mutierte Pilze befallen die Gehirne von Menschen, die dadurch zu willenlosen Mordmaschinen werden, deren tödliche Aufgabe die Verbreitung der Pilzart ist. Im ersten Teil geht es um den Schmuggler Joel, der die junge Ellie durch die postapokalyptischen Wirren begleitet um sie zu den Fireflies zu bringen. Ellie scheint gegen die Pilzsporen immun zu sein und soll die Grundlage zur Rettung der Menschheit abgeben…
Part II ist noch mehr Film, als es Part I schon war, so jedenfalls mein Gefühl am (herzzerreißenden) Ende des Story-Modus. Und das Genre hat sich geändert. Part I war noch ein reiner Zombie-/Splatter-Film: eine Heldin und ein Held ziehen durch das Land und bestehen gegen Horden von Zombies, nein, Infizierten. Part II bedient aber eher Motive des Exploitation- und Revenge-Movies. Was am ehesten auffällt ist, dass die Infizierten nur noch eine sekundäre Bedrohung darstellen, während es inzwischen wieder Menschen sind, die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen. Das ist, vom soziologischem Standpunkt einmal abgesehen, noch ein wenig gruseliger, denn entmenschlichte Infizierte zu killen fällt natürlich leichter, zudem diese nicht nach ihrer Mami schreiben, wenn mann ihnen mal eben ein Bein absprengt. Während man sich als Spieler*in wahrscheinlich schon recht früh fragt, wie weit die Spirale aus Mord und Rache denn nun noch gedreht werden soll, zeigt das Spiel erst im denkbar letzten Moment so etwas wie Einsicht. Ansonsten präsentiert sich Part II erfreulich modern. Nicht nur das Ellie in ihre beste Freundin verliebt ist, auch Transgeschlechtlichkeit wird thematisiert. Das hat bei der Veröffentlichung des Originals nicht nur für Aufruhr[3] in der bekanntlich weithin toxischen Gamerszene gesorgt, sondern auch für die Indizierung des Titels im Nahen Osten.
Part II ist im Gegensatz zu Part I kein Remake, sondern nur ein Remaster. Das Original war erst 2020 für die PS4 erschienen und so technisch noch einigermaßen up to date. Für die Wiederveröffentlichung auf der PS5 wurde die Auflösung auf 4K hochgezogen, die Framerate und viel Optik verbessert, sowie die Ladezeiten verkürzt. Außerdem wurden nicht genutzte Szenen, Entwickler*innenkommentare und ein Überlebensmodus hinzugefügt, sowie eine zweistündige Doku über das Spiel angehängt.
Einigermaßen düster stellt sich auch der Blick der Autoren auf Verhalten der Menschheit nach der Apokalypse dar. Es ist ähnlich wie in „The Walking Dead“, die Menschheit ist sich selbst zum Wolfe[4] geworden, verbrecherische Banden kämpfen gegen Sekten und andere Verrücktgewordene, das gute alte „Auge um Auge“ ist zum einzigen verlässlichen Gesetz geworden. Bei „The Last Of Us“ ist der völligen Anarchie noch eine faschistische Regierung vorangestellt, ansonsten gibt es kaum einen Unterschied.
Beim Spielen interessiert einen das alles natürlich eher wenig. Einerseits ist erstmal überleben angesagt und dann müssen ja auch eine Menge Rätsel gelöst werden. Soviel sei verraten: auch im zweiten Teil werden wieder reichlich Kisten und Müllcontainer geschoben, allerdings erfreulicherweise weniger als im ersten Teil. Und Part II ist vor allem eins: spannend von der ersten bis zur letzten Sekunde. Das Erlebnis ist intensiv auf allen Ebenen, auch und vor allem jenseits von Gewalt und Horror. Ich zumindest gehe mit den Figuren mit, schließlich führt man nicht nur ihre Pumpgun oder Axt, sondern spielt auch Gitarre… Die Inszenierung ist dabei aber die große Stärke: der Verlauf der Erzählung, das Einarbeiten von Rückblicken, das sind alles filmische Mittel, die hervorragend umgesetzt sind. Es ist eben ein Film zum Spielen.
Natürlich geht auch die HBO-Serie in die Verlängerung… 2025.
ich benutze hier in voller Absicht diesen etwas veralteten Ausdruck ↩︎
„video“, lateinisch für „ich sehe“ ↩︎
Aufruhr im Sinne von hetzerischen und antisemitischen Kommentaren, organisierte Abwertung des Spiels… ↩︎
Abby gehört bezeichnenderweise zur Washington Liberation Front aka. WLF aka. „Wolfs“ ↩︎
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