Die Sammlung

Thema:

Ein Sammler ist ja immer ein wenig ein Extremist mit dem Habitus des Steinzeitmenschen (Jäger und…). Dabei ist es ja letztendlich egal, ob man Porzellanfigürchen in Setzkästen, Herrenkämme aus Keratin, Stehlampen oder Setzkästen voller Porzellanfigürchen sammelt. Der Sammler konserviert mit jedem neuen Stück, das er seiner Sammlung zitternd und »he he he, mein Schatz« stotternd hinzufügt, ein Stück (eigene oder fremde) Vergangenheit, auf das er später zurückblicken kann, wenn er seine Schätze aus dem Regal, Setzkasten oder der Garage holt, um sie anzusehen, zu streicheln oder ähnliches.

Das funktioniert je nach Sammelobjekt gut oder schlecht. Alte Segelschiffe, gebrauchte Porsches und herrschaftliche Villen sind beispielsweise gute Objekte um sich in fremder Vergangenheit zu sonnen. Plattensammlungen hingegen konservieren eigene Vergangenheit, eigene Gefühle mithin. Am besten funktioniert das natürlich mit absurd großen Plattensammlungen. Und auch hier gibt es Unterschiede. Denn natürlich kann man die wahrscheinlich fünftausend Veröffentlichungen der Flippers, von Roland Kaiser oder Elvis sammeln. Zur Konservierung von rund 10 Jahren Vergangenheit und Gefühlen, muss es jedoch eine absurd große Sammlung von Maxi-Singles elektronischer Musik jeglicher Coleur, vornehmlich House und Techno sein. Einmal die kompletten 90er Jahre auf Vinyl.

vinyl kills the mp3 industry

Der Plattensammler: am Anfang, da hat er die Scheiben noch aufgelegt, mit seinen beiden Technics-1210-Plattenspielern, die zusammen übrigens auch schon 28kg auf die Waage bringen, aber… das ist ja nichts gegen die ganzen Platten. Die hat er beim ersten Umzug noch mit Stolz und Freude geschleppt: tonnenweise. Und von Umzug zu Umzug hat das weniger Spaß gemacht, und seine Freunde haben gemotzt beim Helfen, mit USB-Sticks nach ihm geworfen, und irgendwann kam dann keiner mehr helfen. Und in all den Jahren, ist er ja selbst seinen Platten irgendwie fremd geworden. Sortiert nach Alphabet, nach Jahren, nach Ereignissen, nach Sets (aus der Erinnerung heraus), man kennt das aus »High Fidelity« (und der Film ist ja nun auch schon uuuuuurrrralt). Ein Plattenspieler hat den Geist aufgegeben, das Mischpult ist über den Jordan gegangen, haben sich kaputt gestanden die guten Stücke. Denn mit den Jahren ist er doch immer weniger dazu gekommen, seine Sammlung zu pflegen, damit zu spielen. Nun wäre es an der Zeit einzusehen, dass, obwohl er sich geschworen hat, niemals auch nur ein Vinyl zu verticken (damals in den 90s hat man verticken gesagt), es dringend angeraten wäre, mal ein paar Hundert von den Dingern los zu werden. In Wahrheit hat er ja auch schon die ganzen Promos und Whitelabel weggeschmissen, geschenkter Gaul und so. Soll er die Dinger doch endlich verkaufen! Na gut, auf Ebay kann’s natürlich passieren, dass er die ganze Sammlung für 'nen Hunnie weggeben muß. Die Schmach wäre zu groß. Und auf Discogs, da muß er die Sachen praktisch einzeln verkaufen, das bringt zwar Kohle, wird aber hundert Jahre dauern.

Beim Sammeln gibt es nur ein Problem, vor allem wenn man nicht gerade Briefmarken, Rohdiamanten oder Faber-Castell-Bleistifte sammelt: die Sammlung.

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