“Moshing Duck”

Thema:

Selten, dass mich ein Artikel bei SPON zum Nachdenken einlädt. Aber bei der “Ente” kriege ich nach wie vor eine Gänsehaut—mein erstes Auto.

Ich bin von Geburtstagsgeschenken nur selten überrascht worden, weil ich sie regelmäßig vor dem Feiertag im Schlafzimmerschrank meiner Eltern ausspionierte. An meinem 18. jedoch hatte ich keine Idee, was mich erwartete, man ist ja auch irgendwann mal zu alt zum luschern. Die Familie bestand darauf, in den Geburtstag hineinzufeiern und man lockte mich – immer noch völlig ahnungslos – vor die Haustür. Ich fragte mich kurz, welche Depp da ein Auto direkt auf dem Fußgängerweg vor der Tür geparkt hatte, bis ich endlich Begriff, das dort mein erstes Auto stand. Klingt nach Silberlöffel im Mund, aber ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wie meine Eltern das zustande bekommen haben. Nicht, dass wir arme Leute waren, aber eben auch nicht die Reichen, die ihren Kindern alles in den Hals schieben. Welches Verständnis der mobilen Gesellschaft dahinter gesteckt haben mag, ich werde es wohl nie begreifen. Ich schweife ab…

Mein erstes Auto war gut gewählt, der genaue Mittelweg zwischen meinem damals stolz zur Schau getragenen Alternativismus und dem Wunsch einen jeden jungen Menschen, mobil zu sein und mit offenem Dach durch die Landschaft zu gondeln: eine Ente 2CV, in einem wunderschönen dezenten Tauben-/Tropenblau (so ungefähr), also orginal 60er-Jahre-Anstrich. Ich schloss das Entchen sofort ins Herz und bin seitdem geprägt durch die Liebe zu französischen Kleinwagen, francophilie mobile sozusagen.

ein 2CV Was ich mit dem Auto alles erlebt habe, das mag typisch für die unbeschwerte Jugend eines 18-20jährigen in der BRD vor der Wiedervereinigung zu sein, für mich war es prägend fürs Leben. Will sagen, an meinem derzeitigen Lebensweg hat die Ente wahrscheinlich ähnlich viel Anteil wie Metallica, Karl Marx und Tschernobyl, so in dem Umfeld.

Die Ente war für mich und meine Kumpels schlicht alles: Wohnzimmer, Konzertsaal, Treffpunkt. Stundenlanges um das Auto herumstehen und rauchend nichts tun. Sowas kann man nur mit einem schicken Cabrio bringen, oder eben mit einer Ente. Gleiches gilt für den Transport einer komplette PA-Anlage zur Beschallung einer Demonstration gegen die Reform des Oberstufe Ende der Achtziger, wobei das Entchen von vier Leute mit mir als Fahrer die ganze Demo über geschoben wurde. LOL. Zur Demo im Auto, eben.

Außerdem war der Wagen, der Wagen mit dem wir etliche Konzerte im nahen Bremen besuchten, meist im Schlachthof, wo wir Metal-, Speedmetal-, dann Hardcore-, dann Punkbands hörten und uns regelmäßig mit den Glatzen anlegten. Unvergessen mein fast blinder Freund, der—wenn die Schlägerei losging aus Sicherheitsgründen die Brille abnahm, sich den nächsten Plasterstein schnappte und dann brüllte: »in welche Richtung soll ich werfen?«—so oder so ähnlich. Wenn’s zu heiß wurde, sprangen wir in die inwischen »Moshing Duck« getaufte Ente und weg waren wir. Das das auffällige Gefährt mit dem riesigen »Bremer«-Aufkleber (dafür gab’s ein Frei-Abo meines Lieblingsmagazins, sah damals noch anders aus) an der Seite nie angehalten wurde, man versteht es nicht.

Einen Urlaub hat sie auch erlebt, einen kurzen auf Fehmarn glaube ich noch zu wissen. Nur nach Frankreich bin ich mit ihr nie gefahren. Die erste Tour dorthin machten wir in einem alten Passat. Der war zwar gar nicht frankophil, aber dafür zuverlässiger und größer…

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