
The Zone Of Interest
Heute vor 80 Jahren befreiten Soldaten der Roten Armee die Konzentrationslager von Auschwitz und Birkenau.
Der Film „The Zone Of Interest“ von Jonathan Glazer aus dem Jahr 2023 passt ganz hervorragend zum heutigen Denk- und Gedenktag. Der Film mit Christian Friedel und Sandra Hüller in den Hauptrollen schafft es wie kein anderes Werk vorher, die Banalität des Bösen[1] aufzuzeigen. Besonders für Menschen, die die Gedenkstätten in Auschwitz und Birkenau besucht haben und sich mit den örtlichen Gegebenheiten auskennen, stellt der fast dokumentarisch gehaltene Film eine Herausforderung dar. Aber auch allen anderen bringt er durch sein banales Schauspiel und den (oskarprämierten) Ton, das Konzentrationslager und die komplette und unbegreifliche Absurdität der Gewalt dort bis zum Schrecken nahe.
„The Zone of Interest“ zeigt das Leben der Familie Höß. Vater Rudolf ist der Lagerkommandant von Auschwitz und lebt dort in einer kleinen Villa mit seiner Frau und den fünf Kindern direkt außerhalb der Mauern des Auschwitz-Stammlagers. Und die leben dort, ganz normal als die deutsche Herrenrassen-Familie, die sie nun mal sind. Papa Höß empfängt in seinem Büro Firmenabgesandte, die ihm verbesserte Krematorien verkaufen wollen, während die Kinder im Garten spielen und Mama Höß sich um die zahlreichen Angestellten kümmert. Es gibt in diesem Sinne keine Filmdialoge, alles ist dokumentarisch gehalten, als hätte jemand mehr oder weniger unbemerkt von der Seite einfach mitgefilmt.
Das Haus der Lagerkommandanten gehört zur Besichtigungstour der Gedenkstätte und es ist eine dieser quälenden Fragen, die ich seinerzeit von meinem Besuch mit nach Hause brachte. Wie konnte dort, direkt an der Mauer des KZ, eine Familie wohnen? Die Familie eines Kommandant, der bis zu seiner Hinrichtung 1947 darauf bestand, nur Befehle ausgeführt zu haben.
Diese Frage beantwortet der Film auf eine Weise. Die Familie lebte dort einfach, mit allen Annehmlichkeiten, die das so mit sich brachte. Gewiss, es gab auch Unannehmlichkeiten: die Krematoriumsasche im Fluß stört doch irgendwie den fröhlichen Ausflug und auch der Gestank lässt kaum ignorieren. Jedenfalls geht es Höß’ Schwiegermutter so, die nach anfänglicher Begeisterung, schnell wieder abreist. Und wenn es mal Asche regnet: schnell die Wäsche reinholen!
Regisseur Glazer wollte die Gräueltaten aus dem KZ ausschließlich über den Sound darstellen. Zu diesem Zweck stellte der Tondesigner Johnnie Burn ein 600-seitiges Dokument zusammen, das relevante Ereignisse in Auschwitz, Zeugenaussagen und eine große Karte des Lagers enthielt, damit die Entfernung (und somit die Lautstärke) und Echos der Geräusche genau bestimmt werden konnten. Bevor die Dreharbeiten begannen, verbrachte er ein Jahr damit, eine Tonbibliothek aufzubauen, die Geräusche von Produktionsmaschinen, Krematorien, Stiefeln, Schüssen und Schreie enthielt. Er baute die Bibliothek bis weit in die Dreharbeiten und die Postproduktion hinein weiter aus.
Was an „The Zone of Interest“ im schlimmsten Sinn beeindruckt, ist der Ton. Das Lager ist in quasi jeder Szene nicht zu überhören. Und damit sind nicht nur die Schreie der Wachen und ihrer Opfer gemeint, sondern auch der monotone und nie abreißende Sound des industriellen Tötungsmaschine Auschwitz, die nicht still stehenden Krematorien und angrenzenden Fabriken. Und je länger der Film geht, umso mehr beginnt mensch als Zuschauer selbst, das Geräusch zu ignorieren…
Karte: Luftbild der US Army, Public domain
„Die Banalität des Bösen“ ist ein Begriff, den Hannah Ahrendt im Zusammenhang mit dem Prozess 1961 gegen Adolf Eichmann in Jerusalem prägte und auch der Untertitel ihres Buches darüber. ↩︎
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