Borgen

Thema:

Die drei ersten Staffeln der dänischen Politfernsehserie „Borgen“ waren ein Phänomen. Die SZ nannte sie „phänomenal gutes europäisches Fernsehen“, die Washington Post erhob sie sogar zur „best television show about politics ever“. Zusammen mit Netflix produzierte mein Lieblingssender DR1 Anfang dieses Jahres eine vierte Staffel.

10 Jahre später

Auch in der vierten Staffel geht es natürlich um das politische (und familiäre) Schicksal von Birgitte Nyborg Christensen (Sidse Babett Knudsen), sowie anderer bekannte Charaktere, wie Katrine Fønsmark, Torben Friis, Bent Sejrø und die in Staffel 3 gegründete Partei „Nye Demokrater“. Die Nyborg ist inzwischen Außenministerin und muss sich in dieser Rolle mit einem überraschenden Ölfund in Grönland auseinandersetzen, wobei umweltpolitische Interessen der wünschenswerten Unabhängigkeit Grönlands, sowie den Interessen mehrerer Großmächte entgegenstehen. Derweil ist Kristine Fønsmark Nachrichtenchefin beim Sender TV1 geworden und muss sich in dieser Rolle ihres eigenen Egos, den sozialen Medien und einer ganzen Reihe renitenter Mitarbeiter*innen und Programmdirektor*innen erwehren. Neu im Ensemble ist Arktisbotschafter Asger Holm Kirkegaard (Mikkel Boe Følsgaard), der seine Flugangst regelmäßig überwinden muss, um im Grönlandischen Ilulissat Nyborgs (und Dänemarks) Interessen zu vertreten.

Riget, Magten og Æren

Der Originaluntertitel der vierten Borgen-Staffel lautet nicht umsonst „Riget, Magten og Æren“ (Das Reich, die Macht und die Ehre), denn das sind schon immer die Kernbestandteile, aus denen der Kopenhagener Adam Price sein Drehbuch zu „Borgen“ zusammengesetzt hat. Es ist das unverwechselbare Markenzeichen der Serie, dass Serie, Staffeln und einzelne Folgen, sich gewissermaßen rekursiv nach innen verjüngend dieser Themen annehmen. Geht es beispielsweise in einer Folge um Verrat, haben alle Protagonist*innen in dieser Folge auf die eine oder andere Weise mit diesem Thema zu kämpfen. Die inhaltliche Tiefe ist die große Stärke der Serie und das bleibt auch in Staffel 4 so. In dieser Staffel werden aber auch einige neue Hauptakzente gesetzt. Es geht ganz zentral um die Frage, ob Frauen besser arbeiten, führen oder regieren als Männer. Alle wichtigen Stellen der dänischen Politik sind mit Frauen besetzt: die Premierminsterinen von Dänemark und Grönland beispielsweise. Im dänischen Kabinett ebenfalls: beinahe nur Frauen. Ebenso beim Fernsehsender TV1. Hinter allem scheint ein wenig die Frage zu stecken, was denn nun besser läuft (und was gleich bleibt). Daneben geht es um den Kampf mit sich selbst, unter anderem allegorisch dargestellt in Nyborgs genervtem Umgang mit den Wechseljahren. Aber vor allem geht es darum, wie Macht korrumpiert respektive korrumpieren kann. Wo es hingeht, wenn mensch sich korrumpieren lässt und auch wohin, wenn mensch versucht dagegen anzugehen.

Dünnes Eis

Aber die vierte Staffel hat auch mit ihrem Erbe zu kämpfen. Der Einfluss von Netflix ist gewissermaßen stilbildend. War in Staffel 3 die Außenpolitik noch ein Presitgeprojekt der Premierminsterin um innenpolitsch Punkte zu sammeln, geht es inzwischen vorrangig um die Außenpolitik. Es geht um Gipfeltreffen, Geheimdienstaktionen und die ganz großen Player: USA, Russland, China. Und es geht um Dänemarks politische Erbsünde, das immer noch mehr oder weniger kolonialistisch verwaltete Grönland. Dieser Konflikt ist hervorragend herausgearbeitet. Allerdings fühlte ich mich streckenweise stark an die, auch sehr empfehlenswerte, schwedisch-isländisch-französische Serie „Thin Ice“ erinnert. Dort werden die grönländischen Probleme schon einmal auf fast identische Weise dargestellt. Allerdings aus einer etwas unbelasteteren Perspektive, als es die Dänen selbst können. Zwar werden in „Borgen“ die Vorurteile vieler Dän*innen gegen die Grönländer*innen klar aufgezeigt und kritisiert, trotzdem fällt der Plot stellenweise auf die gleichen Vorurteile zurück (mehr sei ohne Spoilern nicht verraten).

Dass „Borgen“ nun auf Netflix läuft, merken wir spätestens zum Ende der siebten Folge, als eine gewisse drehbuchschreiberische Hektik auszubrechen scheint, schließlich darf auch Adam Price hier nur acht Folgen in eine Staffel packen, statt der gewohnten zehn. Trotz alledem hat mich das Wiedersehen mit meinen erfundenen Freund*innen aus der dänischen Politik wieder zu Tränen gerührt und in vielerlei Hinsicht fasziniert. Es lohnt sich, „Borgen“ noch einmal komplett durchzubingen, die ersten drei Staffeln finden sich in Arte-Mediathek, die vierte bei Netflix. Viel Spaß.

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