Spachlos WM
Das mit der Sprache ist so eine Sache, man kann nicht ohne sie, aber mit ihr gibt’s meistens auch Probleme. Dürfte zum Beispiel der WM-Kommentator denken, wenn er sich die Aufzeichnung seiner Reportage nocheinmal anhört (ja, wenn) und zur Kenntnis nehmen muss, was er da so abgelassen hat: »Der Aggregatzustand dieses Spiels – es plätschert so dahin.« Herr Kommentator, der Aggregatzustand ihres Kommentars: überflüssig, kann man da nur antworten. Und da nützt es auch nichts, wenn andere Kollegen während eines langweiligen Spiels beginnen, über den psychologischen Zustand von Spieler-Müttern zu philosophieren: »Das wird seine Brüder freuen, die sind heute hier im Stadion. Seine Mutter ist nicht da, die hält das nicht aus.« Grandioser Informationswert 0,01 und ob das so stimmt? Vielleicht sind aber ja Spieler-Mütter so etwas wie Zahnarzt-Frauen, die ja bekanntlich alle Zahnbürsten von Dr. Worst benutzen, oder so.
Mir ist im Zuge der WM leider die Sprache, oder die Schreibe, mal wieder, zeitweise abhanden gekommen. Kann man ja leicht sehen oder eben nicht lesen. Aber das mag auch daran liegen, dass ich versuche mit Beckenbauer Schritt zu halten. Das Nachmittagsspiel gibt’s meist auf der Arbeit (einige Kollegen aus der Redaktion müssen sich das ja aus beruflichen Gründen ansehen — mit dem Beamer, ist ja klar), zumindest die wichtigsten Szenen, ausserdem läuft bei mir rechts ob im Desktop ein Briefmarkenfenster mit der Liveübertragung, ohne Ton versteht sich. Dann verpasse ich die erste Halbzeit des zweiten Spiels, irgendwann muss man ja mal nach Hause fahren: wussten Sie, dass es noch Ecken in Deutschland gibt, wo man keinen Radioempfang hat? Also im Zug zwischen HH und HL jedenfalls bekommt man zunächst keinen vernünftigen und dann gar keinen Sender mehr rein. Die FIFA hat eben doch nicht an alles gedacht, eine Schluderei ist das… Spiel Nummer drei gibt’s dann zu Hause vor der Glotze, was entspannend ist, es sei denn Deutschland spielt gegen Polen und macht das erlösende Tor erst ganz am Schluss, oder Schweden kopiert selbiges gegen Paraguay, nur nicht so spannend, da bin ich dann kurz vor dem Tor eingeschlafen.
Morgends gibt’s dann nochmal die Zusammenfassungen. Und dann ist man ja auch schon wieder bei der Arbeit, damit beschäftigt, das Online-Portal einer großen deutschen Wochenzeitschrift in einen Kicker für Höhergebildete zu verwandeln und beim firmeninternen Tippspiel die Oberhand zu behalten. Alles in allem habe ich mir die WM weniger anstrengend vorgestellt, so rein physisch. Ich nehme mal an, so als Sportreporter geht’s einem noch hundert Mal schlimmer, also ist das gar nicht so schlimm, das die nur Blödsinn von sich geben, schön, dass ich es wenigstens noch merke. Der Beckenbauer kann nach drei Spielen am Tag bestimmt auch nicht mehr geradeaus schauen, geradeaus reden konnt’ er ja noch nie, den sollte man dann besser abends nicht mehr interviewen. Zusammengefasst: die Sprache ist dank der WM auf dem absteigenden Ast, dafür gibt’s aber ja Fahnen, oder zum Schluss noch ein Zitat, diesmal ein Fan der Nationalmannschaft im Premiereinterview: »Muaahhhh, dasassss hhfhzzaassas… !!! Deustchland!!!«
Anmerkung: dieser Text wurde aus religiösen Gründen nicht redigiert und spiegelt den sprachpsychologischen Zustand des Autoren damit voll wieder. Arggaggggellllll…˝
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