Ei am wandern

Thema:

Soll man auf soetwas eigentlich wirklich eingehen? Sorry, ich kann nicht anders. Also ihr wollt diskutieren? Also gut, dann aber richtig.

1. Weblogs verändern die Medienlandschaft, oder haben zumindest das Potential dazu. Sonst würden traditionelle Publikationen sich nicht in diese neue Form vehement aktiv einklinken. Dies ist mehr als ein Hype.

Vehement aktiv einklinken? Sind damit jetzt die Zeit-Blogs gemeint? Wo sind die Massen bloggender Journalisten, die von Ihren Chefredakteuren und die Blogs gedrängt werden? Möglicherweise ja in den USA. So leicht hier nicht übertragbar denke ich. Aber irgendwo stimmt’s schon: täglich rufen uns Journalisten an, ganz verrückt darauf ein Blog zu eröffnen.

2. Die Vernetzung von Weblogs ist schnell und unkontrollierbar. Inhalte verbreiten sich in Windeseile. Und die Meinungen gleich dazu. Ohne Filter einer Redaktion.

Ja.

3. Diese Bewegung hat keine ernstzunehmende Lobby. Wer in der Lage ist, eine solche aufzubauen, verfügt über eine enorme publizistische und meinungsbildende Infrastruktur. International.

Ich weiß, wer es nicht schaffen wir, eine Lobby aufzubauen innerhalb einer Blogosphäre: Leute die Weblogs für Bürgerjournalismus halten.

Hieraus ergeben sich verschiedene Konsequenzen:

Spannung!

1. Den traditionellen Medien bricht zusehends der Boden ein angesichts fortschreitender Digitalisierung und zunehmend leerer Geldbeutel der Konsumenten. Weblogs sind eine globale Bewegung – blog local, publish global. Mit minimalen Produktionsmitteln. Dieses Risiko gilt es zu minimieren – also müssen Positionen besetzt werden, bevor Andere dies tun. Und zwar hübsch nach Themen und Interessen sortiert, möglichst durch lohnabhängige Profis.

Woher kommt eine solche Theorie? Vom letzten “Journalisten-blocken-Blogger-Kongreß”? Nehmt doch mal bitte in Eure Gedanken auf, daß mit zunehmender Anzahl der Informationen auch immer mehr Informationen untergehen werden. Viel wahrscheinlicher ist doch: blog local, blog alone. Und bestünde ein solches Risiko (Revolution durchs Bloggen?), wer organisiert den Kampf dagegen? Die Achse Regierung-bloggende Journalisten? Geile Verschwörung.

2. Weblogs sind ein Risiko in den Augen der Sicherheitskräfte. Eine einzelne Website ist schnell vom Netz, aber eine RSS/Trackback-vernetzte Infrastruktur lässt sich nur schwer abschalten (dies hat übrigens die rechte Szene längst erkannt). Also wird der Begriff “community” gefeaturet, um im Bedarfsfall mal eben den Stecker zu ziehen. Ganz abgesehen von der Überwachbarkeit.

Jetzt mache ich mir (zumindest um die rechte Szene) keine Sorgen mehr. Hier beweist cehpunkt (Autor eines Buches über Bloggen, das nur nebenbei), ein Übermaß an technischem Verständnis. Was bitte ist eine RSS/Trackback vernetzte Infrastruktur? Und wenn ich eine Webseite abschalte, woher kommt dann bitte der RSS-Feed? Und wohin führt dann der Trackback-Link? Sechs! Setzen! Das mit dem “community”-Gedanken find ich gut: bloss keinen Zusammenhalt, denn das hilft dem Staat, denn der will uns abschalten. Ja nee, is klar.

3. Vereinzelung der Akteure und Individualiserung der Inhalte entschärfen die Brisanz einer möglichen Massenbewegung. Also wird das Tagebuch gefeaturet, nicht die Tendenz zum Bürgerjournalismus. Wo kämen wir hin, wenn Bürger ihre Interessen selbst bekunden oder gar selbst organisiert in die Hand nehmen?

Oh, mein Lieblingswort: Bürgerjournalismus. Wo, von wem und mit welcher Konsequenz werden bitte Tagebücher gefeatured? Und wo wir hinkommen, wenn in Deutschland die Bürger ihre Interessen selbst bekunden? Zu den Stammtischen und Kneipendiskussionen. Wenn ihr wenigstens den Hintergrund einer Arbeiterbewegung reproduzieren könntet, aber Bürgerjournalismus? Schönes Hirngespinst.

Soweit, nicht gut. Nochmal: es bestehen massive ökonomische/politische Interessen, das Medium Weblogs auf einer möglichst individuellen Ebene zu halten. Ebenso besteht dringendes Interesse, die entstehende Aufmerksamkeit auf persönliche Vorgänge in Mikrokosmen zu lenken (das mit dem Frühstücksei verkneife ich mir jetzt). Der Trend zu zentralisierten Communities unter professioneller “Supervision” erleichtert sowohl Sicherheitskräften als auch unerkannt arbeitenden Gesinnungstätern und Querfrontstrategen die Arbeit “vor Ort”.

Neulich steht eine Sicherheitskraft vor der Tür und sagt: “Du bloggst jetzt nur noch für dich allein. Jeder politische Kommentar ist sofort einzustellen. Hier ist ein Frühstücksei, blogge darüber.” Die einen sind liebe Tagebuchschreiber, die anderen haben einen massiven Verfolgungswahn. Das obige ist einfach nur völlig psychotisch.

Hiervor verschliesst die Szene gern ihre Augen. Oder klatscht gar Applaus?

Sorry, ich hab’s nicht geschafft, das mit dem ernsthaft diskutieren. Es kommt aber auch zu lächerlich. Cehpunkt und wer da noch so mitschreibt projezieren ihre Paranoia und verschrobenen mittelklasse populistischen Ansichten auf die (möglicherweise nicht mal vorhandene) Blogosphäre. Das kann nicht klappen. Ihr verkennt sowohl die Absichten der Blogger, denn diese sind individuell und persönlich, nicht dogmatisch und gesteuert. Es gibt Überschneidungen, die die Masse der Blogger an diversen Schnittstellen zusammenschweißen und es gibt die Unterschiede zwischen den einzelnen Bloggern. So entsteht eine Masse, die sich nicht über politische Ansichten und Ideen miteinander identifiziert, sondern über ihren ausgelebten Individualismus. Innerhalb dieser Masse finden Freunde zu Freunden, Parteifreunde zu Parteifreunden, usw. und bilden Massen in der Masse. Ebenso ist es mit den Feindschaften. Heterogen nennt man das wohl. Da kann man nicht einfach von irgendwoher kommen und dem ganzen seine politische Ansicht aufdrücken. So geht das nicht! Ich habe mein Frühstücksei, andere habe eins am wandern.

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