Induktionsproblem

Thema:

Ein Phänomen, auf das wir in politischen Debatten, mitunter aber auch in der Familien-Diskussion ums Abwaschen zu Hause immer wieder stoßen, ist der Induktionsfehler, bzw. das Induktionsproblem. Kurz erklärt, ist Induktion (im menschlichen Lernprozess), wenn wir vom Detail auf das Gesamtbild schließen. Das Problem daran ist nun, dass wir Menschen dazu neigen, dies viel zu schnell zu tun. Wir halten Ereignisse für Ursachen und Wirkungen, wenn wir sie wiederholt aufeinander folgen sehen, da wir dann automatisch glauben, diese Folge sei auch in Zukunft so zu erwarten. Wir schließen gerne vom Extrem auf Allgemeine.

Diese Neigung wird von Populist*innen, aber auch sonst in der Politik gerne ausgenutzt. Dabei ist der Fehler relativ schnell zu enttarnen. Jens Scholz weist darauf in diesem Thread hin und nennt einige Beispiele:

Wo wir den Induktionsfehler gerade auch sehen ist beim Thema Bürgergeld. Politiker und Medien diskutieren nur über Empfänger*innen, die “faul” sind und “nicht arbeiten wollen, obwohl sie könnten”. Denen stehen die “braven Arbeitenden” gegenüber, die das sehen und denken “dann arbeite ich jetzt auch nicht mehr”. Wo wir doch Fachkräftemangel haben. […] Das ist ein geradezu absurdes Fantasieszenario, das aus mehreren Details zusammengestückelt ist, die eigentlich nicht mal zusammenpassen.

mastodon.social/@jensscholz

Dabei ist der Anteil derjenigen, die tatsächlich partout nicht arbeiten wollen, verschwindend gering, eine gewollte Abwanderung von der Arbeit ins Bürgergeld gibt es nicht und mit dem Fachkräftemangel hat das Bürgergeld schlicht nichts zu tun, Fachkräfte verdienen ja gut.

Unsere Neigung, von einem Teilproblem auf das Gesamtproblem zu schließen wird dankend ausgenutzt, um Politik damit zu machen. Das funktionierte auch anders herum, also gegen die Regierung, beim Thema Heizungsgesetz:

Eine Wärmepumpe kostet weniger als zB eine Gastherme und für die zusätzliche Umstellung bekommt man eine Förderung. Das Szenario war aber: Der Kauf einer Wärmepumpe macht dich Bankrott. Dafür hat man gesagt, man müsse ja das ganze Haus dämmen und eine Fußbodenheizung einbauen und schon war die Rechnung so exorbitant, wie man es darstellen wollte. Und diese Rechnung wurde zur Referenz für alle erklärt.

mastodon.social/@jensscholz

Wie gesagt, der Fehler ist leicht zu enttarnen, leider ist es dann sehr schwer, die einmal in eine Richtung gedriftete Diskussion, wieder zurückzuholen, also Menschen die einmal falsch induziert haben, wieder vom Gegenteil zu überzeugen. Das liegt auch daran, dass dieser Einsatz des Induktionsproblem sich wunderbar eignet, um in journalistischen Texten oder Social-Media-Posts Dinge zuzuspitzen. Die radikalen Gegner einer Sache werden den radikalen Befürwortern gegenüber gestellt und die gemäßigte Mitte dabei völlig außer Acht gelassen. Hinzu kommen verstärkende Mechanismen: zugespitzte Meinungen werden gerne abgeschrieben äh vervielfältigt, und ebenso gerne gelesen. Die Zuspitzungen werden auch gerne als Kampagne immer und immer wiederholt. Wieder das Beispiel Heizungsgesetz, wo die sogenannte Bild-Zeitung ja quasi jeden Tag eine neue Rentner*in präsentierte, die nun vom Totalverlust ihrer Rente bedroht war. Keine der unseligen TV-Talk-Runden kam ohne derartige Extremdarstellungen aus.

Insofern ist der Induktionsfehler bzw. -trick, ein gern genutztes Werkzeug in hyperpolitischen Zeiten, da hier mit viel politischer Diskussion der Eindruck von großen Taten entsteht, durch die aber extrem wenig erreicht wird. Und für Populist*innen ist es natürlich ein gefundenes Fressen, um wiederum extreme Dinge durchzusetzen oder auch zu verhindern (wie ein gutes Heizungsgesetz). Und schließlich täte jede*r im politischen Prozess gut daran, gegen das Problem gewappnet zu sein.

Schalten Sie auch nächste Woche unser Telekolleg „Philosophie und menschliche Dummheit“ ein, das Thema heisst dann: Das Münchhausen-Trilemma.

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