Steffen Mau: Ungleich vereint

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Steffen Mau, geboren 1968 in Rostock, ist Soziologe und Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Bekannt wurde er u.a. durch sein Buch „Lütten Klein“ über die Transformationsgeschichte seines Heimatortes im Zuge des Zusammenbruchs der DDR, sowie seinen jüngsten Bestseller „Triggerpunkte“, zusammen mit Thomas Lux und Linus Westheuser.

Ungleich vereint Cover: Landkartenausschnitt der ehemaligen DDR, Bundesländer farblich abgehoben von den umliegenden Bundesländern der ehemaligen BRD, Badge: Spiegel Bestseller

Laut Wikipedia vertritt Mau „die Meinung, dass Deutschlands Gesellschaft nicht in dem Sinne gespalten sei, dass sich zwei Großgruppen gegenüberstünden; vielmehr finde eine Radikalisierung der Ränder des politischen Spektrums statt, wobei insbesondere der rechte Rand mit einer immer stärker über Emotionalisierung gesteuerten Politik („Affektpolitik“) bis weit in die Mitte des politischen Spektrums hineinwirken würde.“ Diese Position arbeitet er in „Ungleich vereint“[1] noch einmal besonders deutlich heraus.

Mau zeigt aber auch anhand einer Fülle von Zahlen und Studien, wie die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Ost und West sich manifestiert haben, so dass wir heute quasi anhand nebeneinander liegender Landkreise völlig unterschiedliches Wahlverhalten feststellen können. Natürlich sind ausdrücklich nicht „alle Ossis Nazis“, aber die „gesellschaftliche Konstitution [im Osten] ist eine andere und sie ist weniger resilient gegen die strategischen Vorwärtsbewegungen des Rechtspopulismus“. Als wenig überraschend empfinde ich, welche Rolle die sogenannte Wiedervereinigung bei der Herstellung der heutigen Verhältnisse spielte und bei deren Verfestigung immer noch spielt. Schon 1989/90 haben wir als Linke mit Erstaunen auf die Missverständnisse auf beiden Seiten geschaut: die einen die glaubten, das mit der D-Mark die Freiheit käme, die anderen, die der Ansicht waren, dass man ein ganzes Volk gleichsam kaufen könne. Erstaunlich ist aber, das bis heute die Fehler nicht eingesehen werden und somit also auch nicht adressiert oder aufgearbeitet werden können. Rechtspopulisten nutzen das für sich aus und zwar seit dem Tag der Maueröffnung.

Hier glänzt Steffen Maus Buch ganz besonders, denn es stellt in aller Kleinlichkeit dar, was für eine langwierige Entwicklung uns an den aktuellen Punkt geführt hat. Was auf der Hand liegt: das lässt sich so schnell gar nicht zurückdrehen. Natürlich nicht bis zu den Landtagswahlen oder bis zur nächsten Bundestagswahl! Und auch ein Verbot der AfD, so es denn käme, würde am Problem nichts ändern[2]. Vielmehr sind extrem langfristige Maßnahmen nötig. Mau schlägt bspw. die Einführung von Bürger*innenräten vor, um das politische Klima ganz langsam positiver zu machen.

Fazit: Sollte jemand die Verhältnisse ändern wollen, um die Demokratie zu retten (und stand heute steht das bei keiner Partei im Programm), hätte sie/er einen verdammt langen Weg vor sich. Oder anders: schon wieder ein gutes Buch, das keinen Spaß macht.


  1. Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt, Suhrkamp, Berlin 2024 ↩︎

  2. Kein Grund es nicht doch zu tun! ↩︎

3 Kommentare

Danke für den Tipp - ist gekauft und kommt mit in den Urlaub.

Ich habe mittlerweile auch das Gefühl, dass der Osten vor allem politische Teilhabe lernen muss und das Gefühl braucht, wahr- und ernstgenommen zu werden. Seit Jahrzehnten gibt es die Rede von “denen da oben”, das “Protestwählen”, dieses Gefühl “die müssten uns mal kennenlernen” und auf der anderen Seite in der Jugend bspw. ein Ohnmachtsgefühl und bei den Alten eine komplette politische Faulheit …

Das Problem dürfte aber langsam auch im Westen einsetzen, habe ich das Gefühl … Am Ende wären Bürgerräte und Jugendparlamente eine Idee für die ganze Republik: https://gigold.me/blog/demokratiebildung-schule-elternhaus-gesellschaft

Schwierig das Alles. Zeigt sich bspw. auch in Thüringen, wo 60% mit der Arbeit des LINKE-MPs sehr zufrieden sind, aber nicht mehr die LINKE wählen wollen sondern zur AfD flüchten – total absurd.

“Schon wieder ein Buch, das keinen Spass macht” könnte ungewollt Dein Lese-Motto werden.

… und bitte nicht falsch verstehen: ich mag gern, was du liest, weil ich deine Rezensionen schätze. Also bitte weiter machen, Motto hin oder her.

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