Das Tal der Tränen

Thema:

Nicht erst seit den Jahren des missglückten Börsenganges der Bahn schiebt selbige einen gigantischen Sanierungsstau des Streckennetzes vor sich her. Das soll nun ein Ende haben, die Deutsche Bahn hat eine Generalsanierung wichtiger Streckenabschnitte angekündigt. Gelegentlich der vollmundigen Ankündigungen von Bahnchef Richard Lutz, ein Hochleistungsnetz auf- und ausbauen zu wollen, sagte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft und Vizechef des Bahn-Aufsichtsrates Klaus-Dieter Hommel, die Kunden würden in Zukunft „durch ein Tal der Tränen gehen“. Und wenn ich so etwas höre, wird mir echt angst und bange.

Die eigentliche Kernkompetenz der Bahn ist ja die Dehnung der Realität, in Fachkreisen auch Lügen genannt. Vom kleinen Zugchef, der bei einer Verspätung von wenigen Minuten so tut, als gingen die Uhren aller seiner Kunden falsch, bis zur obersten Konzernspitze, die sich jedes Jahr die Pünktlichkeitsstatistik auf Volkskammerwahlniveau in die eigene Tasche lügt, bei der Bahn wird normalerweise die Wahrheit gemieden. Wenn jetzt mit derart drastischen Worten angekündigt wird, was jedem klar ist, nämlich, dass nun verkehrswendebedingte Auslastungssteigerungen mit baustellenbedingten Kapazitätsminderungen eine katastrophale Mischung ergeben werden, dann muss uns als Bahnkund*innen die blanke Panik ergreifen.

Und was soll das denn heissen: Tal der Tränen? Die geneigten Bahnkund*innen müssen sich doch fragen, wie es denn überhaupt noch schlimmer kommen kann, als es jetzt sowieso schon ist. Und als was der momentane Zustand denn wohl bezeichnet werden muss, wenn das Tal der Tränen erst noch kommt? Wenn unsereins mitten in der Nacht im Schnee auf halber Strecke zwischen Hamburg und Lübeck ausgesetzt wurde? Oder die Stunden, die wir in den Bahnlounges in Berlin und Hamburg totgeschlagen haben, auf ICEs wartend, die doch nie kamen? All die ausgefallenen Regionalzugverbindungen nur eines Tages? Die Scheuer-Wende? Das ganz alltägliche Chaos, das schon jetzt auf den Strecken der Bahn herrscht, wie nennt die Bahn das? Das müssen wohl paradiesische Zustände sein, im Vergleich zum Tal der Tränen.

Dabei stehen wir, ich möchte mal im Jargon bleiben, am Vortag von drei Monaten Neun-Euro-Ticket wohl mitten im Vorhof zur Hölle. Als Bahnpendler kann ich da wohl nur hoffen, dass das Gegenangebot der FDP, der ebenfalls dreimonatige Tankrabatt bei den potenziellen Reisenden besser ankommt und nicht alle zur Bahn wechseln, Umweltschutz hin oder her. Aber das sind nur kurzfristige Probleme, das Tal der Tränen steht uns ja noch bevor. Und es wird lang. Sehr lang.

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