Nach der zweiten Wahlnacht, immer noch kein Ergebnis
Dass die USA schon lange nicht mehr als Vorbild für eine Demokratie herhalten können, sollte uns seit vier Jahren klar sein. Als wir damals am Morgen nach der Wahl von Trumps Sieg aus den Dornröschenschlaf gerissen wurden, hatte sich aber ja bei den meisten von uns schnell das Gefühl verfestigt, dass es sich um einen Fehler der Geschichte handeln müsse. Weil ja auch irgendwie nicht sein kann … Sie kennen das.
Tatsächlich hat auch genau das die Demokratische Partei der USA gedacht und die letzten Jahre ihre Handlungen danach ausgerichtet. „Weiter so“ wurde als Parole ausgegeben und damit ist man die letzten vier Jahre von Niederlage zu Niederlage gesegelt, das verdaddelte Amtsenthebungsverfahren und die Kandidatur Joe Bidens waren da nur die Höhepunkte.
Und so haben wir uns in diesem Jahr also wieder gemeinsam vor dem Fernseher eingefunden: hier in Europa glaubten wir insgeheim an den „Erdrutschsieg“, denn wie gesagt, es kann ja nicht sein, was nicht sein darf. Und den Demokraten ging es irgendwie nicht anders. With God on our side, sollte es schon klappen. Und am Ende wird es das vielleicht auch. Auch nach der zweiten Wahlnacht sind ein Sieg beider Kandidaten noch möglich.
Gleichzeitig hat die Wahl aber gezeigt, dass wir zwar viele politische Kommentare und Analysen geschrieben, gelesen, gesendet, gesehen, gehört haben, aber leider immer noch nicht begriffen hatten, dass Trump nur das Symptom für den kompletten Verfall der amerikanischen Gesellschaft ist. Ein Hoch auf jene, die nun sagen können, sie hätten es ja gesagt, aber selbst bei denen habe ich das Gefühl, dass sie von der eigenen Einsicht überrascht wurden.
Im Moment ist nicht klar, wie es in Arizona, Georgia oder Pennsylvania ausgehen wird. Oder wie es mit der Klagewut des Donald weitergeht. Wie wahrscheinlich sind gewalttätige Auseinandersetzungen, wenn er seine Anhänger weiter anstachelt? Wenn er das Ergebnis nicht anerkennen wird? Und wie weit wird das gehen?
Auch wenn Biden gewinnt, wird die Spaltung bleiben. Sollte Trump gewinnen, wird sie nur noch tiefer gehen, dafür wird er sorgen. Es ist der Geburtsfehler des amerikanischen Traums.
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