1. Adventskalender
Ich hasse Adventskalender. Die realen an der Wand ebenso wie die virtuellen hier im Netz. Adventskalender sind der letzte Scheiss, um es einmal auf den Punkt zu bringen.
Früher. Früher war alles besser. Wir hatten ja nichts damals, gar nichts. Der Krieg war gerade vorbei meine Arbeitskollegen noch nicht geboren oder in der Zone eingekerkert, da hatten wir Adventskalender, da fand man als Kind hinter jedem Türchen einfach ein (in der Regel erbauliches) Bildchen. Ein Engelchen, ein Kuscheltier, die Krippe, sowas. Und am 24., so als main feature waren Türchen und Bild doppelt so groß und besonders erbaulich. Was für ein Scheiss.
Aber dann erfand jemand, es werden wohl die geldgeilen Schokokonditoren aus der Schweiz gewesen sein, den Schokoladen-Adventskalender. Den kann man heute noch für einen Euro beim Aldi kaufen und traditionell richtig ist er nur, wenn ganz billige und eklige Schokolade drinsteckt. Deswegen nennt man auch das ganze Jahr über billige und eklige NoName-Schokolade “Adventskalenderschokolade”. Und deswegen sind auch diese Kalender Mist. Obwohl man damit schon Spass haben konnte: z.B. indem man aus dem Adventskalender der kleinen Schwester die Schokolade durch Herausziehen und Entleeren des Inneren noch vor dem ersten Dezember ausräumte. Das Gesicht einer Fünfjährigen, wenn sie erwartungsvoll ein Türchen öffnet und dahinter ist nichts; unbezahlbar. Aber von der ganzen erbeuteten Scheissschokolade bekam man eh’ nur Karies und Bauchweh. Also trotzdem Mist.
Heute ist man nicht mehr so auf Schokolade festgelegt. Und auch nicht auf Kinder. Adventskalender enthalten heutzutage Bier inklusive Glas, Pfand und einer Smartphone-App, Kartoffel-Chips, und manchmal will man vielleicht gar nicht so genau wissen, was da wirklich drin ist. Das ist ja alles schon ganz witzig, aber immer noch völlig blöd, denn für einen gelungenen vorweihnachtlichen Abend, braucht man dann ja fünf Bier- und zwei Chips-Kalender. Ich hingegen habe schon als Kind meinen Adventskalender immer schon morgens geöffnet (“Oh toll, der Stern von Bethlehem, den hat ein armloses Kind mit dem linken Fuß gemalt”), was bei Bier-, Whiskey- oder Gin-Adventskalender zwar lustig aber eher kontraproduktiv wäre. Und Whiskey in Adventskalenderschokoladequalität, das will ja auch keiner.
Zusammengefasst kann man aber feststellen: in einem Adventskalender kann jeder sonst in der Einzahl verkauftes Ding stecken, meist in minderer Qualität, im doppelten Dutzend gebündelt in oft zweifelhafter Verpackung, zum dreifachen des eigentlichen Verkaufspreises. Einzige Ausnahme: selbstgebastelte Kalender. Oder doch nicht.
Die Kür der sinnentleerten Adventskalender allerdings sind Webadventskalender. Webseiten und Blogs veröffentlichen sie immer und immer und immer wieder und das zu Hunderten. Und die schlimmste Unterkategorie davon: die Webentwickler-Adventskalender. Zumeist das Jahr über verschlafene Blogs und Webseiten wachen am 1. Dezember plötzlich auf und hauen 24 (in den USA sogar 25) Tage lang Tutorials und Freebies raus, als hätte es das restliche Jahr nie gegeben. Die Inhalte sind dabei entweder komplett veraltet (“Hey cool, das bewahre ich mir für den Adventskalender auf! Was soll das heissen, es ist März?!”), oder gab es schon überall anderswo zu lesen (“Oh shit, ich brauch noch schnell was für den Kalendereintrag morgen! Ach, ich nehm’ nochmal den Artikel vom letzten Jahr”).
Mit christlichem Brauchtum hat das nun ebenso viel zu tun, wie der Bier-Adventskalender, und verkürzt auch nicht die Wartezeit auf das blöde Christkind oder den verdienten Weihnachtsurlaub. Vielmehr macht das Lesen, Einsammeln und Umsetzen der ganzen Tipps in der eh schon knappen vorweihnachtlichen Zeit den Stress nur noch größer. Zumal sich mir das Konzept Web-Adventskalender ebenso wenig erschliesst wie die Serien auf Netflix oder Amazon, wo wöchentlich nur eine Folge gezeigt wird.
Wenn ich die Power habe, 24 supergeile Performancetipps, Tutorials, UX-Zeug, pull requests (sic!) oder Technikartikel zusammen zu dengeln, dann kann man damit doch das ganze Jahr über eine supergeile Website betreiben, anstatt nur 24/25 Tage im Dezember—webmäßig also quasi von Zwölf bis Mittag.
Bild: Paul Itkin
Noch keine Kommentare.
Kommentare geschlossen.