Menschen, die auf Twitter starren
Möglicherweise bin ich von Twitter abhängig. Ich meine, ich war gegen Ads in der Timeline, habe rund 25000 Mal seit ihrer Einführung, „…ist nicht relevant/ist beleidigend/erscheint zu oft“ geklickt, aber das interessiert Twitter nicht. Trotzdem nutzte ich es fleissig weiter. Noch schlimmer, als Twitter seine API-Regeln änderte, habe ich mich aktiv am Shitstorm beteiligt, nutze es aber trotzdem fleissig weiter. Und so weiter und so weiter.
Seit Twitter gemerkt hat, dass die Idee allein kein Geld abwirft, sondern man gezwungen ist, das Nutzererlebnis zu verändern, um es verwertbar zu machen, existiert dieser Kreislauf: Twitter ändert etwas, es gibt einen Shitstorm, der Shitstorm verebbt, nichts weiter. Und tatsächlich, alle bleiben da. Wollen ihren Claim, ihre Timeline nicht aufgeben. Wir sind wie Süchtige, die mit ihrem Dealer über den Preis für den nächsten Schuss verhandeln wollen, wir haben nichts in der Hand. Außer halt, aufhören oder zu einem anderen Dealer gehen. Den es nicht gibt. Jo, weggehen haben wir auch schon versucht, wir sind aber in der Menge da geblieben, deswegen hat es nicht funktioniert.
Jetzt ist die Situation natürlich völlig anders: Twitter ändert nicht irgendein Feature, sondern das Feature. Also die Timeline soll Facebook werden, wo nicht mehr die Zeit entscheidet was angezeigt wird, sondern ein Algorithmus. Letztere sind ja sehr modern zur Zeit, aber auch wenig vertrauenswürdig, mal ehrlich gesagt. Jedenfalls ist wieder Shitstorm. Und die Situation ist ja auch sehr heikel, denn statt Twitter entvölkert sich nur Twitters Chefetage, so richtig will dort keiner mehr arbeiten, scheint es. (Ob das wegen der geplanten Maßnahmen, fortgesetzter Ziellosigkeit oder der dauernd mäkelten Nutzer so ist, wer weiß?) Eine vom Algorithmus kuratierte Timeline ist jedenfalls der Hammer, vor dem immer alle Angst hatten. Denn kann natürlich sein, das Twitter danach nicht mehr Twitter ist, sondern eben Facebook. Besonderheiten wie das real time feeling könnten flöten gehen, kann aber auch sein, dass der Algorithmus entsprechende Situation erkennt und sich locker macht, wenn das Volk gemeinsam Tatort schaut beispielsweise, oder Superbowl. Es könnte auch sein, das Kommunikation zwischen einzelnen Nutzern nicht mehr möglich ist, einfach weil der eine oder andere die Antwort auf einen Teeet gar nicht zu sehen bekommt, vor allem aber, die Entwicklung eines Gesprächs unter vielen nicht mehr nachvollziehen kann. Aber auch das kann man technisch lösen.
Wichtig ist: es gibt eine Optout-Möglichkeit und jene, die jetzt schon da sind werden sie nutzen oder eben nicht, aber das wird am Ende auch diesen Shitstorm zum erliegen bringen. Und wer dann neu hinzukommt, der kennt das alte Twitter ja auch gar nicht mehr. Und es werden ein paar Poweruser gehen, was Twitter wahrscheinlich auch inzwischen irgendwie recht ist, denn wir meckern nur und bringen nicht die neuen Massen an Nutzern, die das Unternehmen für sein kapitalistisches Vorwärtskommen nun einmal braucht.
Ja, Twitter kann einen schon irgendwie depressiv machen. Ich glaube ich brauch 'nen neuen Schuss…
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