Das Wort zum Sonntag

Thema:

Eine der ausformulierten Grundlagen des Kalten Krieges war die sogenannte Truman Doktrin. Harry S. Truman (1884 - 1972) (Biographie @ whitehouse.gov), amerikanischer Präsident von 1945 bis 1953, brachte den schwelenden Konflikt zwischen der freien Welt und dem bösartigem Kommunismus (und der Sovjetunion als dessen Vertreter in real life) 1947 in dem genannten Papier, das Grundlage einer gemeinsamen Sitzung von Kongress und Senat war, auf den Punkt. Festgelegt wurde die Verpflichtung, den Kommunismus, wo immer er auftauchen möge, bekämpfen zu wollen. Truman schreibt:

Die eine Lebensweise gründet sich auf den Willen der Mehrheit und zeichnet sich durch freie Einrichtungen, freie Wahlen, Garantie der individuellen Freiheit, Rede- und Religionsfreiheit und Freiheit vor politischer Unterdrückung aus. Die zweite Lebensweise gründet sich auf den Willen einer Minderheit, der der Mehrheit aufgezwungen wird. Terror und Unterdrückung, kontrollierte Presse und Rundfunk, fingierte Wahlen und Unterdrückung der persönlichen Freiheiten sind ihre Kennzeichen.

Interessant, nicht? Dieser zweigeteilte Absatz soll das freie System, namentlich die USA, dem kommunistischen System vergleichend gegenüberstellen. USA: Wille der Mehrheit, freie Wahlen, individuelle Freiheit etc. UdSSR: Wille einer Minderheit, Terror, Unterdrückung usf. Dabei wird das sovjetische System auch gleich mit anderen unterdrückenden Systemen (wie dem deutschen Faschismus) gleichgestellt, bzw. aus diesen hergeleitet. Dieses Dokument diente als Grundlage für den gesamten kalten Krieg, hunderte Folgetheorien und -papiere und etliche heiße Kriege. Der kalte Krieg mag vorbei sein, jedoch hat sich diese Ideologie in der Staatslenkung der USA bis heute fortgesetzt, nur die Feindbilder wurden ausgetauscht. Da liegt es nahe, sich diese gewichtigen Worte nocheinmal genau anzusehen. Den ersten Absatz verstehen wir gut, gleicht er sich doch mit den Zielen und Begründungen unserer westlichen Demokratien. Der zweite Teil jedoch scheint mir eine nicht zu verachtende Brisanz für die heutige Zeit zu beinhalten. Mal davon abgesehen, daß Truman offensichtlich mit ziemlichem Weitblick ausgestattet war, schließlich geht sie über die reine Bekämpfung des Kommunismus weit hinaus und ist auch auf heutige Terrorstaaten ohne weiteres anwendbar, stellt sich die Frage, ob die USA in Zeiten der »Homeland Security« überhaupt noch in das Raster der Doktrin passen.

Der Wille einer Minderheit wird der Mehrheit aufgezwungen, freie Wahlen: Die Präsidentschaftswahlen 2000 haben zumindest genug Anlass gegeben, die Freiheit eben jener Wahl anzuzweifeln. Die Diskussion darüber ist jedoch ideologisch zu verfärbt, um zu wissenschaftlich verwertbaren Beweisen zu gelangen, daß dies keine freie Wahl war. Etwas beweist sie jedoch ganz klar: es ist nicht immer die Mehrheit, die in den USA den Präsidenten bestimmt!

Terror und Unterdrückung der persönlichen Freiheit: Im Rahmen der sogenannten »Homeland Security (Buch: »The National Strategy for Homeland Security) ist es in den Vereinigten Staaten zu massiven Einschränkungen der individuellen Freiheitsrechte gekommen, wir würden soetwas wohl als »Notstandsgesetzgebung« bezeichnen, deren Auswüchse [ein hevorragendes Beispiel (via Haiko Hebig)], wie das Festhalten ohne Haftbefehl auf unbestimmte Zeit, Beobachtung, Kontrolle, erweiterte Kompetenzen der Regierung, Justiz und Polizei, die Kriegsgefangenlager etc., kann man vielleicht noch nicht als Terror, hinsichtlich in den USA lebender Nichtamerikaner jedoch wohl als Unterdrückung qualifizieren.

Kontrollierte Presse und Rundfunk: Inwieweit staatsgelenkt auf Presse und Rundfunk der USA Einfluss ausgeübt wird, ist schwer nachweisbar, aber angesichts des demonstrativen Normierungswillen z.B. des Kongresses (bspw. im Zusammenhang mit den Copyrightdiskussionen) annehmbar. In Wahrheit braucht die amerikanische Presse aber auch nicht wirklich beeinflusst werden, denn das tut sie schon von ganz alleine. Seit der McCarthy-Ära ist die Schere im Kopf offensichtlich Bestandteil der Journalistenausbildung in den USA. Die amerikanische Presse ist heute zum großen Teil der Bushjubelfraktion beigetreten (ohne Not, wohlgemerkt), allen voran die Fernsehsender. Der Einfluss der amerikanischen Wirtschaft, und widerum deren Verstrickung in die Regierung, leistet das Übrige.

Sind die USA inzwischen ein Staat, der sich selbst bekämpfen müsste, ganz im Sinne der Truman-Doktrin? Zumindest wird eine Entwicklung offenbar. Etwas, was ich in Diskussionen immer wieder angeführt habe, was von meinen amerikanischen Diskussionspartnern jedoch im Zuge von Kriegswille und Rachsucht, dem Irrglauben, man müsste im Krieg zu seinem Präsidenten stehen (ob der Krieg nun gerechtfertigt ist oder nicht) und einer Überkompensierung des 9-11-Syndroms in Form völlig verblendeten Nationalismus und übermäßigem Selbstbewußtsein, gerne übersehen wird. Die Kritik von aussen wird leider allzuoft als unzulässig angesehen, mit Anti-Amerikanismus-Vorwürfen gedeckelt oder schlicht ignoriert. Es scheint aber so zu sein, dass diese Entwicklung aus dem Innern der USA heraus nicht erkennbar zu sein scheint. Why don’t you just wake up?

Übrigens: die Entwicklung, so wie ich sie sehe, hat bereits vor dem Anschlag auf das WTC begonnen. Insofern fällt 9-11 als Kernbegründung zumindest aus. Und: der ungeschminkte Wille der US-Regierung ihr Modell auf die ganze Welt auszudehnen bzw. diese zumindest zu domnieren, gleicht der dem Kommunismus immer vorgeworfenen Ausweitungsstrategie auf’s Haar, dies war zunächst eine Folge der Trumman-Doktrin, nach Wegfall des Kommunismus wird dies allerdings weitergeführt. Die Befreiung des Iraks wird da nur ein erster Schritt sein. Und: die religiösen Begründungen die G.W. Bush immer wieder für sein Handeln heranzieht, stellen ihn auch eher in die Ecke der Fanatiker als der grossen Staatsmänner.

Weiterführende Links:

www.us-aussenpolitik.de

Telepolis: Texas has the bomb Telepolis: Bush 41 und Bush 43 cesr.org: War In Iraq Is Unequivocally Illegal

Mother Jones buzzflash.com Musicians United to Win Without War

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