Qualitätsjammern
Herr Niggemeier bricht die Lanze für die »Qualitätszeitung«. Und wärmt damit – wie mir scheint eher unbeholfen als ungewollt – alte Mythen wieder auf:
Falls die gedruckten Qualitäts-Zeitungen sterben, ist das einer der Punkte, um die ich mir am meisten Sorgen mache: dass der Gedanke verschwindet, dass man mit dem, was man schreibt, auch Geschichte schreibt.
Und dagegen:
Das ist kein Entweder-Oder. Ich liebe die Möglichkeit der spontanen Wortmeldung von Jedermann in Blogs. Und auf die Geschwindigkeit, die das Publizieren im Internet den Medien ermöglicht, wird keine Generation von Lesern mehr verzichten wollen. Aber daneben möchte ich den Journalismus nicht missen, der sich die Zeit nimmt, eine Sache zu durchdenken, und der darauf setzt, nicht nur eine Stimme von vielen zu sein, sondern Kompetenz und Autorität auszustrahlen.
Lässt man mal beiseite, dass Postwahltagsausgabe der New York Times derzeit zu Höchstpreisen gehandelt werden, oder das in irgendeiner Kiste noch Zeitungen vom 12.09.2001 herumgammeln, die Zeitung ist eine Informationsquelle und nur sehr selten eine Devotionalie, lässt man dies also berechtigterweise beiseite, stellt man fest, das hier mal wieder Äpfel mit Birnen verglichen werden.
Zur Übermittlung von Informationen ist die Website die bessere Alternative. Sie ist archivierbar. Sie ist durchsuchbar. Sie vergilbt nicht. Sie lässt sich auf Servern speichern, auf CDs o.ä. brennen, im Verlagshaus wie beim Leser. Stellt man sich nicht allzu dumm an, sind die Daten noch da, wenn das letzte Blatt Papier lange vermodert ist.
Dass der Gedanke verschwinden könnte, dass man mit dem, was man schreibt, auch Geschichte schreibt, ist eine blosse Behauptung. Und dass Online den Part spontanen Wortmeldung von Jedermann ist ein völlige Verkürzung der Tätigkeit vieler Menschen die ich kenne. Meiner eingeschlossen.
Solange wir so denken – und ich dachte bisher Herr Niggemeier täte dies eben nicht – wird sich Online(journalismus) nicht weiter entwickeln. Was spricht denn dagegen, wichtige Ereignisse, besser noch wichtige Themen auch online entsprechend zu behandeln? Warum gibt es bitte keine aufwendig produzierten Dossiers in den Internetausgabe der Zeitungen? Mit diesem Rückwärtsdenken wird es sie auch niemals geben.
Frage: was passiert, wenn die Qualitätszeitungen wirklich sterben? Sterben dann auch alle Qualitätsjournalisten? Verweigern sie sich dann dem neuen Medium, weil das was dort geschieht ihrem überheblichen Glauben an das geschichtliche Gewicht ihrer Äußerungen widerspricht? Gehen die alle in Rente? Werden sie von ihren Verlagen fürdahin als DPA-Meldungsschreiberlinge eingesetzt? Wohl kaum.
Und keiner sagt, dass man kein Webdesign machen kann, dass Qualitätsartikeln nicht genügen würde, das das geschichtliche Gewicht einer Sache mehr Rechnung trägt, als vielleicht eine 96-Punkt Überschrift. Stimmt: das macht heute noch keiner. Aber es wird kommen, wenn die Nachfrage da ist. Und wenn endlich das Qualitätsgejammere aufhört.
Wer dann will, kann es sich ja ausdrucken und einrahmen. Anstehen wird man dafür allerdings nicht müssen.
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