Zum Inhalt springen…
Couchblog
Der Markt regelt einen Scheiß.

Links zu Seiten im Blog

  • Archiv.
  • About.
  • Impressum.
  • Datenschutz.
Ein altes Schwarz-Weiss-Foto aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts: Zwei Männer, gekleidet in recht einfache dunkle Anzüge, stehen sich auf einem Bürgersteig, der leicht nach rechts abfällt, in Boxpose gegenüber.

Politik der Scheindebatten

Mittwoch, 28. August 2024 Thema: Gesellschaft

Wie rechte Rhetorik und symbolische Maßnahmen die Demokratie gefährden

Es haben sich Mechanismen festgesetzt in der Politik, die auch bei genauer Betrachtung keineswegs selbsterklärend sind. Gab es beispielsweise einen Terroranschlag, oder eine Gewalttat ausgeführt von Menschen ohne deutschen Pass, oder ohne Nachweis eines teutonischen Stammbaums bis zurück in das Preußen Bismarcks, müssen immer sofort oder doch möglichst schnell, die immer gleichen Forderungen, möglichst laut präsentiert werden. Verschärfung der Waffengesetze, Beschränkung der Einwanderung, Wiedereinrichtung von Grenzkontrollen, mehr und schnellere Abschiebungen, vor allem von sogenannten Gewalttäter*innen und so weiter; es ist immer dasselbe Set von Scheinmaßnahmen, das von immer gleichen Leuten vorgetragen wird. Scheinmaßnahmen deshalb, weil sie einerseits rein aktionistisch am Problem vorbeigehen, andererseits oft auch gar nicht umsetzbar sind. Das liegt zum einen daran, dass sich Anschläge des stochastischem Terrorismus letztlich, unter Aufrechterhaltung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, nicht abschließend verhindern lassen. Auf der anderen Seite werden am liebsten Dinge gefordert, die sich gar nicht umsetzen lassen. Grenzkontrollen einzuführen beispielsweise, wäre europapolitisch völlig kontraproduktiv, würde für ein Stauchaos an den betroffenen Grenzen sorgen und würde nicht eine*n Terrorist*in von der Einreise abhalten. Schneller und mehr Abschieben scheitert daran, dass im Rahmen des juristisch Machbaren schon maximal—und irgendwie auch schon ganz im Sinne Höckes „mit wohltemperierter Grausamkeit“—abgeschoben wird. Oder es gibt Abschiebehindernisse: oft fehlen entsprechende Rücknahmeabkommen mit den Ländern, aber auch aus gutem Grund. Welche demokratische Regierung will sich schon von Diktatoren wie den Taliban ein solches Abkommen diktieren lassen? Und. So. Fort.

Da stellt sich nun die Frage, was das eigentlich alles soll, wo ist da die Logik? Oder die Motivation? Diese sind wohl unterschiedlich. Die ganz Rechten wollen die Gesellschaft spalten und lassen sich keine Gelegenheit entgehen, ihre Demagogie unters Volk und vor allem nach Social-Media zu bringen. Da ihnen eh völlig egal ist, ob auch nur eines ihrer Argumente einer Überprüfung Stand hält, können sie auch den größten Blödsinn fordern, Hauptsache es knallt schön. Die anderen hingegen haben sich in den Kopf gesetzt, die AfD dadurch verhindern zu können, dass sie die AfD imitieren. Was man bei CDU, CSU, FDP, SPD und seit neuesten auch den Grünen nicht zu verstehen scheint, ist, dass genau dieses Verhalten der AfD noch mehr Wähler*innen in die Arme treibt.

Denn warum ist das ganze Gerede von Asylmissbrauch, Abschiebungen, Grenzkontrollen oder Gesetzesverschärfungen so gefährlich? Die AfD hat es geschafft, dass die Wähler*innen zumindest in Teilen Deutschlands bei ihr die Kompetenz für diese Themen verorten. Nach dem Motto: wenn einer Abschiebung richtig macht, dann die AfD. Wenn also über Abschiebungen diskutiert wird und alle sagen, dass sie nötig sind, dann wähle ich doch gleich die Partei, von der ich glaube, dass sie es richtig macht. Der Effekt ist, dass der AfD jedwede Diskussion in diese Richtung nützt, egal wie sie selbst dabei abschneidet. Bekannte Ressentiments werden dabei noch vertieft: „Wenn alle mehr Abschiebungen wollen, dann kann Remigration ja nichts Schlechtes sein“. Und während solcher Scheindiskussionen wird die Grenze des Sagbaren, weil es ja ein Überbietungswettbewerb ist, immer weiter nach rechts verschoben. Wo gestern noch mehr Abschiebungen gefordert wurden, wurde durch den Zusatz „von Gewalttätern“ einerseits signalisiert: „sind doch alles Gewalttäter“ und gleichzeitig eine Umgehungsmöglichkeit der normalen Regeln angedeutet. Die weitere Verschärfung: „auch nach Syrien und Afghanistan“ versucht eine weitere Schippe draufzulegen, im Sinne von: sind ja alles Gewalttäter*innen dort.

Am schlimmsten ist vielleicht, dass dieses ganze Theater ja an keinem einzigen Problem etwas ändert. Politische Handlungsfähigkeit wird allenfalls simuliert. Die Politik zeigt, dass diese weltpolitischen Konflikte und Krisen zu groß für sie sind, ist aber nicht ehrlich genug, dies zuzugeben. Und so wird Politik zu Recht als macht- und nutzlos empfunden, was nur bestenfalls in Politikverdrossenheit mündet, sondern eher in den kompletten Vertrauensverlust und der führt wieder in den Extremismus …

Links zu Stichworten dieses Artikels

  • #Hyperpolitik

Links zu vorigen oder späteren Einträgen

  • Voriger Eintrag: Warum wir (immer noch) bloggen
  • Nächster Eintrag: Volker Ullrich: Schicksalsstunden einer Demokratie

4 Kommentare

ben_

August 29, 2024

Die Politik zeigt, dass diese weltpolitischen Konflikte und Krisen zu groß für sie sind, ist aber nicht ehrlich genug, dies zuzugeben.

Ich würde hier ja sagen: “Die nationale Politik”. Was auch keine Überraschung ist, denn wie soll eine der Nation verpflichtet Politik weltweite Konflikt und Krisen lösen. Das ist schlicht auch nicht ihre Aufgabe und ergibt sich nur aus der Weigerung der Nationen mehr Macht an kontinentale oder globale Institutionen abzugeben.

Zum eignetlichen Thema des Artikels aber, weil hier selber auch völlig ratlos bin: Wie sähe denn eine bessere Reaktion aus? Jedes Mal “We are vulnurable by choice!” rufen ist ja auch keine Lösung. Und nach Hanau waren viele Menschen, deren Meinung ich schätze sich ja auch einig, dass Dinge getan werden sollten … ich weiss es halt wirklich nicht …

Nico

September 05, 2024

Die Reaktionspolitik im Nachgang solcher Ereignisse, davon müssen wir weg. Natürlich bringt es nichts, am Abend nach einem Anschlag zu verkünden: „Tja, da kann man nichts machen, wisst ihr ja”. Sinnvoll aber wäre diese Themen präventiv, dauerhaft und in Ruhe anzugehen. Einen Plan zu haben, der machbare Maßnahmen enthält, die über die Lippenbekenntnisse hinausgehen. Und vor allem, und da ist speziell die aktuelle Regierung eine mittlere Katastrophe, die Ergebnisse zu kommunizieren.

So wird einfach nur Quatsch geredet, inzwischen von allen Parteien. Was nützt das Verbot von Butterflymessern? Es ist nicht sinnvoll, in unserem Europainselstaat die Grenzen zu kontrollieren. Der Ruf nach Dänemark, herrjeh, die Dänen haben im Jahr so viele Flüchtlinge, wie bei uns aktuell gerade ausreisepflichtig sind. Aber im Gegenteil, was machen die Dänen: sie zwingen die Leute in Arbeit, wo wir die Menschen zum Nichtstun und Rumhängen verurteilen. Und was machen wir wirklich? Wir streichen 50% der Mittel für die psychologische Betreuung von Flüchtlingen! Also genau das Gegenteil von dem, was nötig wäre. Ich könnte ewig so weitermachen …

ben_

September 08, 2024

I hake mich mal in ein Detail ein: Das In-die-Arbeit-zwingen, machen die Dänen ja in der Tat schon ewig. Ich hab sowas wie einen Cousin dort. Der dachte erst er käme mit Nixtun über die Runden. Jetzt ist er seit Jahre Metzger in einem Schlachthof. Da müssen dann auch keine Rumänen im Wald übernachten …

Nico

September 10, 2024

Ja, Arbeit, sich beteiligen am großen Staatsgebilde, hat einen fast schon extremen Stellenwert in DK. Da ging‘s mir aber mehr um den Effekt bei uns. Wir brauchen im Grunde jede Arbeitskraft, die wir kriegen können und verbieten denen quasi zu arbeiten. Und im Gegenzug wird behauptet die Flüchtlinge würden uns die Arbeit wegnehmen. Es ist verrückt.

Hinweis: Zur Zeit ist die Kommentarfunktion leider deaktiviert.

512KB ClubOrange Team

© 2025 Couchblog, All rights reserved unless otherwise stated.

Couchblog auf Mastodon.