Gefährlicher Glaube
Pia Lamberty und Katharina Nocun haben wieder ein Buch geschrieben. In „Gefährlicher Glaube“ geht es um Esoterik. In neun Kapiteln gehen die Autorinnen dem Phänomen, dass Menschen, aus meiner Perspektive, die verrücktesten Dinge glauben, auf den Grund. Ein großer Teil der Bevölkerung glaubt in der einen oder anderen Art an esoterische Konzepte: Globuli, Geburtshoroskope, Karten legen, traditionelle chinesische Medizin, bis hin zu Wunderheiler*innen, die Krebs per Telefonsprechstunde heilen können sollen ist alles dabei. Die Autorinnen führen uns in neun Kapiteln durch ein wahres Panoptikum des Irrglaubens und zeigen auch immer wieder die extremen Auswüchse auf, die dieses magische Denken eben zu einem gefährlichen Glauben machen kann.
Dabei sind die Extrembeispiele natürlich am schockierendsten. Dass es beispielsweise Eltern gibt, die ihren Kindern eine lebensrettende Krebsbehandlung vorenthalten, um sie zu Wunderheiler*innen zu schleppen, macht mich wirklich betroffen. Aber auch der wesentlich weiter verbreitete Glaube, kleine Zuckerkügelchen oder anderweitig mit einer wundersamen Energie aufgeladenen Scheinmedikamemte könnten irgendeine Wirkung haben, verhindert am Ende vielleicht, dass Menschen Krankheiten ignorieren und mindestens länger leiden als nötig. Die soziologischen Untersuchungen, die Lamberty und Nocun auflisten zeigen dabei immer wieder, wie tief solcher Glaube in der Gesellschaft verankert ist.
Am witzigsten hingegen finde ich die Selbstversuche der Autorinnen, wenn sie beispielsweise eine Esoterikmesse besuchen. Ihre ungläubige und völlig trockene und unbeeindruckte Art, wie sie mit den Angeboten dort umgehen, hat mich wirklich zum Lachen gebracht. Die Tendenz sehe ich aber tatsächlich oft: Esoterik ist oft so ein unglaublicher Quatsch, dass ich aus dem Kopfschütteln erst dann wieder rauskomme, wenn ich feststelle, dass es Menschen gibt, die diesen Blödsinn wirklich glauben. Und dann wird es manchmal sogar etwas spooky.
Wie gefährlich der Glaube an die Esoterik nun letztlich ist? Schwierig zu sagen. Natürlich ist er lebensgefährlich für jene, die versuchen ihre Krebskrankheit mit Mondwasser zu heilen oder er kann in den finanziellen Ruin führen, weil jemand all seine Ersparnisse zu Wunderheilern und selbsternannten Medien schleppt. Und sicherlich wird die Esoterik auch dort gefährlich, wo sie Einfluss auf die Politik erlangt, beispielsweise als Anteil an der sogenannten Querdenkerbewegung. Aber wenn jemand seinen Alltag nach den Botschaften der Sterne ausrichtet und bei anfliegender Erkältung zu Meditonsin greift, hält sich die akute Gefahr erstmal in Grenzen. „Schadet ja auch nicht“, das Argument höre ich quasi täglich. Lamberty und Nocun zeigen aber auf, wo es eben doch schadet. Wo und wie man den gefährlichen Glauben allerdings bekämpfen sollte, steht nicht im Buch. Vielleicht gibt es ja auch wieder, wie bei „Fake Facts“ und „True Facts“ einen zweiten Band, der beschreibt, wie man mit Esoteriker*innen im Alltag umgehen kann. Was das Buch aber vor allem zeigt, ist, wie stark sich das magische Denken und der Glaube an Engelwesen, Wunderheilung und Homöopathie in unserer Gesellschaft festgesetzt hat. Das ist das eigentlich erschreckende bei der Sache.
Fazit: wer das Glück hat, noch nie mit Esoterik zu tun gehabt zu haben, für den ist das Buch sicherlich ein Augenöffner. Wer, wie ich, nahezu täglich mit dem Phänomen zu kämpfen hat, findet dagegen wenig neues und leider auch keine Handreichung, wie man dagegen ankommt, das Zitieren von Studien hilft jedenfalls nicht.
BTW: In der aktuellen Folge des Denkangebote Podcasts von Katharina Nocun, gibt es ein Kapitel des Hörbuchs als Kostprobe zu hören.
Noch keine Kommentare.
Kommentare geschlossen.