Morgenlese XXVIII
Die Diskussion um den Silvestereinsatz der Kölner Polizei ebbt kaum ab. Inzwischen wird dabei vieles durcheinander gewürfelt, die Rauschfrequenz ist hoch, es wird viel provoziert und allerorts mit Dreck geworfen. Man kann sicherlich nicht alles zu dem Thema lesen, aber diese Artikel halte ich für wichtig:
Christoph Herwartz hat schon früh am 1. Januar beschrieben, wie er die Nacht am Kölner Hauptbahnhof erlebt hat und hat dafür auf Facebook viel bösartige Kommentare auszuhalten gehabt. Seine Beobachtungen allerdings sind eindeutig:
Wer durch die rechte Glastür gehen muss, entscheidet ein Bundespolizist innerhalb von Sekundenbruchteilen, ohne denjenigen vorher beobachtet zu haben. Und allein diese Entscheidung ist ausschlaggebend dafür, wer kontrolliert wird. Denn hinter der rechten Tür wartet die Landespolizei. Die Beamten bilden eine Kette im Halbkreis vor dem Bahnhofsausgang. Die Feiernden reagieren ausnahmslos verwirrt, wenn sie den Bahnhof verlassen und hier landen.
Es entbrennt schnell eine Debatte um den Polizeieinsatz, da die Kölner Polizei nicht nur racial profiling einsetzt, sondern noch dazu zum Lieferanten von rechtem Neusprech einerseits avanciert, gleichzeitig noch kurz vor dem 1.1. das Unwort des Jahres 2017 prägt, als sie den Begriff Nafri twitterte. Wie drastisch dabei gestritten wird und wie weit am Thema vorbei kritisiert Christian Bangel lesenswert:
Ein, nun ja, dünnes Argument wird unterlegt von einem Notstandgebrüll, das keine Experten und Debattenbeiträge hören will, sondern strammstehende Zustimmung im Angesicht des Feindes. Wer die Kölner Polizei nicht unterstützt, der hat den Schuss nicht gehört, der will seine Ideologie über die Unversehrtheit unserer Frauen stellen. Der ist gegen die Kölner Polizei.
Dabei herrscht Einigkeit von der AfD über CSU, CDU bis hinein in Teile der SPD, bei Kommentatoren von DIE ZEIT, der FAZ und SZ bis in die taz hinein: der Einsatz war schon deswegen verhältnismäßig und gerechtfertigt, weil er eben ein Erfolg war. Eine „Kollateral Diskriminierung“ sei hinnehmbar. Da bin ich ehrlich gesagt anderer Meinung. Wie Patrick Gensing, der deutlich klar macht, dass der Zweck eben nicht die Mittel heiligt:
Selbstverständlich: Köln war eine Ausnahmesituation, die sexualisierte Gewalt musste unterbunden werden. Doch genau in solchen Grenzsituationen und Zeiten mit terroristischer Bedrohung muss sehr genau darauf geachtet und darüber diskutiert werden, welche Maßnahmen zulässig sind. Sonst wird das Grundgesetz zur politischen Folklore, auf das man in Sonntagsreden gerne verweist, aber das sich ansonsten als nicht zweckmäßig erwiesen habe.
Apropos racial profiling, offenbar ist es keine Ausnahme, sondern gängige Praxis, wie ein OVG-Entscheidung aus dem April 2016 beweist, die es zumindest Bundespolizisten verbietet:
Das OVG hat entschieden: Bundespolizisten dürfen sich bei anlasslosen Personenkontrollen in Zügen und Bahnhöfen grundsätzlich nicht an der Hautfarbe orientieren – auch dann nicht, wenn sie nur eines von mehreren „tragenden“ Auswahlkriterien sei. Das verstoße gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes, befand der Senat und ging mit seinem Urteil bewusst über die bisherige Rechtsprechung hinaus.
Und auch 2015 wurde schon über das Thema geschrieben, bspw. bei ZEIT ONLINE und der SZ. Zu dieser Zeit hatte die Bundesregierung noch behauptet, es gäbe in Deutschland gar kein racial profiling. So sehr hat sich das Klima seitdem geändert.
Und auch zum anderen Aufregerbegriff gibt es noch etwas zu lesen, nämlich das Nafri zwar zunächst kein rechter, wohl aber ein sehr problematischer Begriff ist, beweist Anatol Stefanowitsch im sprachlog, bei einem sprachwissenschaftlichen Grünen-Seminar für Rainer Wendt. Letzterer ist Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, und gab der Jungen Freiheit ein Interview, in dem er die Kritik der Grünen am Begriff Nafri relativierte.
Der Begriff ist nicht deshalb problematisch, weil die Kölner Polizei (vermutlich korrekt) erkannt hat, dass bestimmte Gruppen von Menschen aus bestimmten Ländern ihnen besonders oft Probleme bereiten, sondern, weil die sehr breite Kategorie Nafri dazu führt, dass nicht nur etwa alle Tunesier unter einen Generalverdacht für die Taten einer bestimmten Gruppe von Tunesiern gestellt werden, sondern sogar etwa alle Syrer unter einen Generalverdacht für die Taten einer bestimmten Gruppe von Tunesiern gestellt werden (und umgekehrt).
Bild: Parker Byrd auf Unsplash
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