Birth Control
»Hör Dir das mal an«, sagte ein Freund damals und zog, ganz vorsichtig als handele es sich um Kristallglas, eine LP aus der Plattensammlung seines Vaters. Auf dem Cover ein überdimensionales Huhn, dass ein Ei in eine Bratpfanne aufschlägt: The Best Of Birth Control. Und dann die Musik, das haute uns echt die Falten aus der Hose: “Gamma Ray”, Percussion ohne Ende, Hammond Orgel bis zum Abwinken und eine wirkliche beeindruckende Stimme. Wow!
Das muss sich wohl so um 1986/87 ereignet haben und seitdem bin ich ein Birth Control Fan. Eigentlich ein Anachronismus und vielleicht die erste Musik die mir wirklich gefiel, die nicht zeitgenössisch war. Es war die Musik der 68er, aufmüpfig, revolutionär. Diese jedoch waren inzwischen alles andere als dies, der Vater des Freundes bspw. erzählte zwar noch gerne nach dem dritten Bier von den Straßenbahnkämpfen in Bremen, verbrachte sein Leben jedoch nun damit, als Beamter im Arbeitsamt “faule Menschen an die Arbeit zu bringen”, was er nach dem fünften Bier gerne lauthals von sich gab.
Birth Control kommen orginal aus Berlin und starteten 1968 als Coverband. Eigentlich war man schon damals prominent besetzt, wusste es nur noch nicht; im ersten Line-Up saß ein gewisser Hugo Egon Balder am Schlagzeug, musste jedoch vom Ruhm Abschied nehmen, bevor er eintrat, seine Eltern verboten ihm die Teilnahme an der Band, nachdem er mit einem Musikerkollegen in einen Verkehrsunfall geraten war. Nach einer Tour durch den Libanon kam man vom covern ab und begann eigene Produktion. 1969 kam man mit der ersten Single “Oktober / Freedom” heraus. Und obwohl die zweite Single (wieder eine Doppel-A-Side) “No Drugs / All I Want Is You” hieß, verwette ich mein rechtes Ohr dafür, dass Birth Control gerade bei den Konsumenten bewusstseinserweitender Mittelchen den grössten Erfolg hatten. Trotzdem, die Zeiten waren echt seltsam damals, man ging als Begleitband von Michael Holm auf Deutschlandtournee, des Geldes wegen, versteht sich. Anderseits darf man 1970 aber auch zusammen mit Jimi Hendrix Experience, Ten Years After, Cold Blood, Procol Harum und Cat Mother als einzige deutsche Band beim “Super Konzert 70” in Berlin auftreten. Ich war zu der Zeit ja gerade ein Jahr alt.
Mit “Hoodoo Man” schaffte man jedenfalls 1972 den großen Durchbruch, voll auf der Krautrockwelle sozusagen. Dieses Album kann ich jeden ans Herz legen, der sich für Musikgeschichte interessiert, denn es gehört zur selben dazu. Erfreulich eigentlich, dass man seinerzeit mit rockiger Musik und kritischen Texten durchaus Erfolge feiern konnte… ja damals. Birth Control jedenfalls hatten eine ausgefallene und abwechslungsreiche Karriere, mit viel Sex and Rock’n Roll, blieben zum Glück aber bis heute von den diversen Revival-Wellen verschont. Andererseits, Birth Control gibt es noch und scheinbar tourt man sogar noch ab und zu (natürlich nicht mehr ganz in Originalbesetzung), was ja auch schon wieder ein Anachronismus ist. Aber ein schöner.
Die komplette Geschichte der bekanntesten Pornoband von Deutschland gibt’s auf der Homepage von Birthcontrol nachzulesen. Und auch etwas zum Anhören findet man dort, nur damit ihr wisst, wovon ich spreche. Naja und natürlich gibt es auch noch eines Material von Birth Control zu kaufen.
Noch keine Kommentare.
Kommentare geschlossen.