Mir geht die Party jetzt schon auf den Sack
Autokorso, Böllerei wie an Silvester, grölende Banden vor meiner Haustür: mir geht die ganze WM-Party-Nummer schonmal wieder voll auf die Nerven. Wenn man jetzt noch ein paar Versatzstücke des Wochenendes zusammenwürfelt, bietet sich das passende Bild unserer Republik.
Jochen Bittner beispielsweise schreibt bei New York Times Online, dass unsere Fahne durch Party-Patriotismus, resp. ihre Nutzung als Schutzhülle für Autospiegel irgendwie verbraucht wäre und sucht nach einer neuen Farbkombination.
It’s that our flag’s branding is so spoiled. Can we have a new one, please?
Irgendwie scheint das aber keine Lösung zu sein, denn rechtem Nationalismus und latentem Rassismus, die gerade wieder im Fahrwasser der WM-Feierei an die Oberfläche gespült werden, sind die Farben auch herzlich egal. So kam es in der schon in der ersten WM-Woche zu einer ganzen Reihe rassistischer Vorfälle bis hinein in die Kommentatorenkabine, und das Spiel Deutschland gegen Ghana führte auf Twitter zu regelrechten Ausbrüchen von Gewaltrhetorik.
Aber derlei Leute wissen eh wenig darüber, woher die Nationalfarben eigentlich kommen oder was sie bedeuten sollen. Also weg mit dem Lappen, denn er führt zu nichts Gutem, ob nun hier aus überbordend dekorierten Autos rassistische Fußball-Parolen gegröhlt werden, oder an anderen Orten dieser Welt mit Waffengewalt ein angeblicher Friede verteidigt wird. Alles Schrott.
Da sollte man vielleicht gleich ganz darauf verzichten, denn die ganzen Fahnen sind sowieso nur ein Relikt aus vergangenen Tagen der Nationalstaaterei, einem kolonialistischen Exportgut, das sich gerade nicht bewährt in unserer Zeit.
Eher Problem als Lösung, eine sehr junge historische Erscheinung, die perfekte Zwangsjacke für emanzipatorische Verirrungen von Minderheiten. Im Wesentlichen ein Produkt des 19. Jahrhunderts, das immer mehr für ökonomische Ordnung und politische Stabilität sorgen sollte als für demokratische Rechte - seit mindestens hundert Jahren besteht eine Vielzahl von Weltkonflikten vor allem darin, diese westlich-europäische Unterwerfungsidee wahlweise zu bekämpfen oder zu beschützen.
Aber, die Berichterstattung über Fußball ist ja auch der Kracher: Stalin, Hitler, Nichtangriffspakt, anyone?
Artikelbild: Bestimmte Rechte vorbehalten von tetedelacourse.
Noch keine Kommentare.
Kommentare geschlossen.