Das Drehbuch ist immer gleich:
Extra perfide ihre aktuelle Erzählung, mit der sie direkt die Presse (die taz in Vertretung) attackiert: es bleibt den anderen Medien gar nichts anderes übrig, als zur Widerlegung Klöckners Mist zu reproduzieren.
Dabei bräuchte man ihre Einwürfe gar nicht, um zu wissen, wo sie politisch steht. Klöckner gehört zum Lager, das mit Jens Spahn kungelt, an die Hufeisentheorie glaubt wie andere an Tageshoroskope und „Neutralität“ vor allem als Werkzeug versteht, um rechte Frames salonfähig zu machen. Kurzum: Sie klingt oft eher wie eine AfD-Pressesprecherin auf Probe und nicht wie eine „bürgerliche“ CDU-Frau.
Und genau deswegen ist es gefährlich, in die Empörungsfalle zu tappen. Jeder empörte Retweet, jeder zitierende Artikel macht ihren Talking Points größer, als sie es eigentlich verdienen. Das Muster ist alt – und wird erst dann langweilig, wenn wir es als das behandeln, was es ist: ein PR-Trick.
Diskussion gerne hier bei Mastodon.
]]>Luftholpausemach.
Eine lakonisch und mit präzisem Blick erzählte Geschichte über aus dem Ruder gelaufene Lebensentwürfe.
Ja nun ach. Ich sag mal, eigentlich kaufe ich keine Bücher, in deren Klappentext die Brigitte zitiert wird. Aber gut, es gab noch andere Stimmen:
Eine feinfühlige Beobachtung des ‹einfachen Menschen› mit all seinen Marotten, so wie er eben ist, im Leben.
OK, FAS ist auch überhaupt nicht mein Ding. Wie kann man denn in einem einzigen Satz derart viel Raum zwischen sich und zunächst stellvertretend die Figuren des Buches, in Wahrheit aber die Leser*innen dieses Buches, vulgo „die einfachen Menschen“ bringen? Da fällt mir doch das Schampus-Glas aus der Hand, mein lieber Herr Feuilltonistenkackarsch. Was schreiben denn Springers Spießgesellen dazu?
Bissig und humorvoll.
Also ich habe für sowas gar keine Zeit. Da hätten sie ja auch gleich „Es ist ein Buch.“ schreiben können. Ist genauso wahr. Zumal ich die Bissigkeit vielleicht sogar ein wenig in Abrede stellen würde.
OK, also nochmal. Giulia Becker arbeitet unter anderem im Team von Jan Böhmermann, ich nehme an, sie schreibt dort witzige Dinge auf. Und so ist natürlich auch das Buch. Jemand hat witzige Dinge aufgeschrieben. Oder vielmehr: witzige Figuren entworfen. Also so Typen, wie du und ich. Da ist die unausgefüllte Mutti, deren Lieblingshund ertrunken ist und die ihre Seele mit Teleshopping beruhigt. Da ist die Mitarbeiterin der Bahnhofsmission, die ihre Hilfsbereitschaft schon manches Mal in Teufels Küche gebracht hat. Und ihr Ex-Mann, der sich eine Existenz als Sonderposten-Topverkäufer aufzubauen versucht. Da ist der nikotinabhängige Brieftaubenpfleger mit dem Hundehass, der am liebsten Onlinekniffel spielt, die einsame Oma, der krebskranke Obdachlose und der Chef der Bahnhofsmission, der letztere in eine Art Starbucks umwandeln möchte. Und alle diese kruden und spleenigen Charaktere treffen nun in einem Buch… an einem Ort zusammen: Borken. Und Borken scheint so etwas wie das Delmenhost von Nordrhein-Westfalen zu sein, nur halt ohne Sarah Connor.
Ja, das kann lustig sein. Oder etwas gezwungen wirken. Gegebenenfalls auch beides. Der Plot jedenfalls ist ungefähr so aufregend, wie die Buchkritiken in der Brigitte. Wir verlieren uns in Backgroundstories, die zwar witzig sind, aber keine Story voran bringen, dann gibt es ein wenig Story, aber auch die löst sich wieder in Wohlgefallen auf um Platz zu machen für einen zweiten kleinen Plot, der sich ohne jeden Twist an das Echo des ersten anschließt und dann ist auch schon happy end und alle sind froh, dass es vorbei ist.
Der perfekte Lesestoff für eine über Stendal umgeleitete Sechs-Stunden-Bahnfahrt von Hamburg nach Berlin. Ach nee…
]]>Nun ist „Eliten“ ebenfalls so ein Kampfbegriff der Rechtsextremen geworden, die darunter aber etwas ganz anderes verstehen, als eigentlich gemeint ist. Für die AfD gehört jeder zur Elite, der anderer Meinung ist als sie selbst, aber nicht in das Ausländer-Raus-Opferschema passt. Dieser Eliten-Begriff verdeckt aber gewissermaßen, dass es in unserem Land (und in Europa und in der USA und so weiter), tatsächlich eine Elite gibt, einen verschwindend geringen Prozentsatz der Bevölkerung, die auf sich einen Großteil des Geldes und der Macht auf sich vereinigen.
Eine solide Definition des Begriffs und ein gigantisches Konvolut an Statistiken und Studien, hat Elitenforscher Michael Hartmann schon 2019 in seinem Buch „Die Abgehobenen“ zusammengetragen. Es ist ein Buch, dass einem in gewisser Weise die Augen öffnet, denn selbst wenn man im täglichen Echauffieren über korrupte Politker*innen, dem Meckern über „die da oben“ oder dem Wissen, dass eins niemals wirklich zu Geld kommen wird, während andere mit dem sprichwörtlichem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, schon irgendwie ahnt, was da abgeht, ist die Realität doch noch um einiges dramatischer.
Die Eliten sind ein abgehobener Selbstrekrutierungsbetrieb, der die Demokratie aushöhlt. Nur durch eine durchgreifende soziale Öffnung der politischen Elite ist eine Wende möglich. – Campus Verlag
Kann ich sehr zum Lesen empfehlen, zufällig gibt es das Buch auch gerade für einen schlappen Fünfer bei der bdp. Also los: kaufen und lesen.
]]>Nun habe ich ja nicht an die 50 Semester den Internetfernkurs „Pop- und Memekultur“ belegt, also ich weiß natürlich, was das für ein Bild ist. Gut ich kann vielleicht nicht den Titel 神奈川沖浪裏 Kanagawa oki nami ura
in japanisch wiedergeben, weiß aber, dass er „Die große Welle vor Kanagawa“ oder genauer „Unter der Welle im Meer vor Kanagawa“ heißt, ein Farbholzschnitt im Ukiyo-e Stil ist und aus der Serie „36 Ansichten des Berges Fuji“ stammt, die der japanische Künstler Katsushika Hokusai zwischen 1830 und 1836 hergestellt hat.
„Das wäre aber nun schade, dass solche Kunst zu Drucken auf T-Shirts verkommt“, war die schnippische Anmerkung die mir daraufhin zu Teil wurde und hätte ich das Gespräch weiter geführt, wären wir sicher bei kultureller Aneignung gelandet, aber zum Glück war der nächste Fauxpas schon zur Hand mich aus der Situation zu retten: die Lammkoteletts waren gerade fertig am Grill!
Wobei ich natürlich noch einiges hätte hinzufügen können. Weil gerade die Welle empfinde ich als ein ganz hervorragendes Stück Popkultur, eben weil es so alt ist. Hokusai war einer des wichtigsten Künstler der Kunstgeschichte und hatte großen Einfluss auf Leute, die wir im Westen heute besser kennen: VanGogh, Gaugin oder Monet. Und gleichzeitig oder gerade deswegen, ist es ein Stück Popkultur geworden. Natürlich gibt es auch T-Shirts mit der Mona Lisa, aber dagegen ist die Welle im Netz quasi allgegenwärtig. Und im RL. Poster, Tassen, Wandteller, dem Kitsch- und Souvenir-Handel sind dank Gemeinfreiheit keine Grenzen gesetzt. Das Apple-Emoji 🌊 (Welle) ist dem Bild nachempfunden. Das Bild ist Thema eines Kinderbuches. Es ist auf der Rückseite der 1000-Yen Banknote. Auf einem Pfeiler der Augustusbrücke in Dresden steht das Kunstwerk „Die Woge“ von Tobias Stengel, eine Reproduktion eines Teils des Holzschnittes. Das ist Weltkunst, Popkultur und Meme in einem, keine kulturelle Aneignung.
Und ich kann mich niemals daran satt sehen.
]]>Foto: Ted Van Pelt unter CC BY 2.0.
]]>Foto: Danny Casillas unter CC BY-SA 2.0.
]]>Foto: Gage Skidmore unter CC BY-SA 3.0.
]]>Aber, wer kennt es nicht, das letztveröffentlichte Werk des Meisters, geschrieben 1910 bis 1913 und 1950 bis 1954, dessen zweiter Teil wohl schon geplant, dann aber vom Tode Manns zunichtegemacht gewesen, nun doch Fragment geblieben. Man merkt dem Buche die differenten und langen Schaffensphasen an, ist die Sprache doch so bis ins letzte gedreht und gedrechselt, die Haupt- und Nebensätze mit wieder weiteren Hauptsätzen verwoben, die dann selbst wieder von mindest zwei bis zuweilen fünf Nebensätzen geschmückt werden, will sagen so manches Satzkonstrukt passt nicht mal auf eine Buchseite und mein Deutschlehrer auf dem Lyzeum seinerzeit, hätte mich erschlagen für solche Satzschlösser, aber das war auch in Delmenhorst und was ist Delmenhorst gegen Lübeck, ja was? Man weiß es nicht. In all dieser Ausgeschmücktheit spricht eben jener Felix Krull, der vorgibt sich zu bekennen, doch bekennt er nicht, viel mehr schmückt er sich mit all den kleinen Untaten und Betrügereien, die sein Leben durchzogen, begonnen bei Schulschwänzereien bis hin zu Diebstahl und handfesten Hochstapeleien. Sogar Spaß empfindet er dabei, all dies zu berichten und in all den hochgestochenen Worten, wohl nur um aufzuzeigen, dass es nur das Talent braucht, um jene zu betrügen, die so leicht zu betrügen sind, weil sie nur achten auf das Äußere und denen die inneren Werte nur von nachrangigem Interesse sind, gleichwohl sie sich auch gern betrügen lassen „Mundus vult decipi“, so hat es ja schon Gottfried Keller einst in eine Novelle gegossen. Dabei können wir als Leser*innen wiederum auch gar nicht sicher sein, das alles oder etwas oder irgendetwas von Krulls Bericht der Wahrheit entspricht, jedenfalls wird die Geschichte mit fortschreitender Seitenzahl des Schelmenromans immer fantastischer und dreister, ein Indiz für diesen Casus mag sein, dass eine Krankheit bei dem der Erkrankte notorisch lügt, nach ihm benannt ist. Vielleicht wollen ja auch wir hier und heute in Bausch und Bogen belogen werden, womit uns der große Nobelpreisträger aus Lübeck dann quasi doppelt hinters Licht geführt hätte.
]]>Aber vielleicht geht es auch gar nicht so sehr um die großen Talkshows. Ich möchte an dieser Stelle einmal ein Fernseh-/Radiointerview dokumentieren und besprechen, das ich während des Kanzlerwahlversuchs bei NDRInfo zu hören gezwungen wurde, weil es glaube ich ein guter Beleg dafür ist, wie schief es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerade geht. Und welches Licht das überhaupt auf den Zustand von Medien und Journalismus im Jahr 2025 in der Bundesrepublik steht.
Hinweis: Normalerweise versuche ich, all die Lügen, Falschbehauptungen und Provokationen aus dem rechten Lager keinesfalls zu reproduzieren. In diesem speziellen Fall mache ich eine Ausnahme, um etwas daran zu demonstrieren. Wer sich derlei Schund entziehen möchte, möge jetzt aufhören zu lesen.
Hier das von mir als Dokumentation angeführte Interview als Audio auf NDRInfo: Interviewt wird der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion Bernd Baumann zur gescheiterten Kanzlerwahl. Im Original war das ein Interview bei tagesschau24, hier ab Minute 01:07 als Video. Das Interview führte Matthias Deiß, stellvertretender Studioleiter und Chefredakteur Fernsehen im ARD-Hauptstadtstudio.
Der Interviewer eröffnet das Gespräch also mit der Frage, ob die Fraktion bereits eine Einladung zum zweiten Wahlgang am nächsten Tag erhalten habe. Was ja schonmal an Tiefgang kaum zu unterbieten ist, denn wen in aller Welt interessiert es, ob nun ausgerechnet die AfD auch zum zweiten Wahlgang eingeladen wird (was Sonnenklar ist)? Aber gut, sollte vielleicht eine lockere Einleitung sein. Bernd Baumann antwortet auch:
Ja natürlich. Wir stimmen dem zu. Jetzt muss der zweite Wahlgang stattfinden.
An dieser Stelle hätte der Interviewer nun vielleicht eine zweite Frage anschließen können, gesetzt den Fall, dass er eine hätte… Stattdessen darf Baumann aber einfach weiter reden:
Wir wollen wissen, was jetzt los ist. Merz ist jetzt natürlich abgestraft worden als möglicher Kanzler in Zukunft. Das ist eine Quittung. Ich hoffe aus Reihen der Union. Es haben ja insgesamt 18 Stimmen gefehlt für eine Koalition.
Ja, das denke ich auch, dass da jemand Friedrich Merz eine Quittung ausstellen wollte. Aber gefehlt haben ihm nur 6 Stimmen um gewählt zu werden, 18 Stimmen hätte die Koalition aus CDU und SPD gehabt, was Herr Baumann hier wohl auch meint. Wieder ohne Zwischenfrage des Interviewers gerät Baumann nun ins fabulieren:
Ich hoffe, es sind Leute aus der Union, die diesen Weg der CDU nicht gutheißen. Sie wissen, das ist kein guter Weg für die CDU und auch nicht für Deutschland, auch aufgrund dieses Wahlbetrugs im Hintergrund.
Herr Baumann weiß schon sehr genau, wie die CDU tickt, vor allem aber, wie er seine Whistle zu blowen hat. Denn: Wahlbetrug, auch Wahlfälschung, ist etwas anderes, als das, was er Merz und der CDU vorwirft. Stattdessen wärmt er hier so ganz nebenbei wieder die alten Wahlbetrug-Lügen von der Bundestagswahl wieder auf. Darauf könnte ihn der ÖRR-Reporter ja mal ansprechen. Stattdessen macht Baumann fleißig weiter und holt richtig aus:
Die haben ja Plakate geklebt und Wahlkampf gemacht, damit die Schuldenbremse eingehalten wird, Rot-Grün begrenzt und Asylmigranten zurückgewiesen werden. Jetzt haben wir 1 Billion Neuverschuldung, 100 Milliarden für die Grünen, womit sie machen können, was sie wollen. Und an der Grenze werden Asylmigranten nicht zurückgewiesen, sondern nur Grenzkontrollen erhöht. Also das genaue Gegenteil von den Versprechungen. Und ich hoffe das einige in der Union wissen, dass das so nicht geht.
Ja… mensch weiß gar nicht, wo anfangen. Und es ist ja nicht alles falsch: die Union hat Plakate geklebt. Und Fritze Merz hatte im Wahlkampf noch eine Änderung der Schuldenbremse abgelehnt, hier könnte man von einem (besonders schnell) gebrochenen Wahlversprechen reden. Eine Neuverschuldung von 1 Billion Euro gibt es so jedoch nicht. Denn die Neuverschuldung wird immer von Jahr zu Jahr berechnet, die hier gemeinten Sondervermögen laufen jedoch über 12 Jahre. Der Knüller sind jedoch 100 Milliarden für die Grünen, womit sie machen können, was sie wollen.
Womit sie machen können was sie wollen! Die Grünen. Jetzt müsste unser tapferer Reporter doch mal aufwachen. Aber der nickt nur immer weiter zustimmend. Nun stellt er aber doch eine Frage, wobei er allerdings alles vorher gesagte nonchalant ignoriert:
Auch sie haben mit diesem Ergebnis trotzdem nicht gerechnet. Sie sagen, sie stimmen jetzt einer morgigen Wahl zu, als AfD Fraktion in einem zweiten Wahlgang. Was glauben Sie, kann sich da in einem Tag ändern?
Möglicherweise waren die Ausführungen des AfD-Mannes nicht scharf genug, dass unser ÖRR-Reporter nochmal nachbohrt? Aber Baumann weiß die Vorlage im ersten Moment nicht zu nutzen, wiederholt stattdessen nochmal seine Einschätzung darüber, wer gegen Merz gestimmt haben könnte:
Ich weiß nicht. Jetzt ist einfach die Frage, sind diese Leute, diese Abgeordneten, die sich so entschieden haben, willens, wirklich die Kanzlerschaft zu verhindern? Oder soll nur ein Schuss vor den Bug das sein [sic]? Das wird sich jetzt zeigen. Man weiß ja nicht, wer das ist. Ich kann nur mal sagen ich hoffe, es sind Leute aus der Union, die irgendwie noch bei Trost sind und wissen, dass solche Konstrukte wie Merz das geplant hat, dass das nicht geht. Nicht für die Union und nicht für die Republik. Und dann wird man sehen, ob die morgen dann dazu stehen oder nicht. Und dann sind die tektonischen Verhältnisse in der Republik ganz anders, wenn das durchgesetzt wird in den nächsten Wahlgängen.
Nein, das wird man natürlich nicht sehen, wer das gewesen ist, dafür gibt es ja geheime Abstimmungen, ein Konzept, das sich bis zu Herrn Baumann noch nicht herumgesprochen zu haben scheint. Zum Ende dieses Abschnitts gerät er dann schon ins Lachen, verwundert möglicherweise, dass er den ganzen Quark nochmal aufsagen darf. Und das ist dann auch die Stelle, an der Reporter Deiß endlich zum Leben erwacht:
Wir sind jetzt aber erst mal bei der heutigen Entscheidung. Und Sie als Oppositionsführer? Haben Sie ein Interesse daran, dass Deutschland eine stabile Regierung bekommt? Frage ich heute. Insofern: Was heißt das für das Ansehen von Deutschland an diesem Tag?
Er will eine Einschätzung, vom Oppositionsführer, heute noch, wie schadet die vermurkste Kanzlerwahl dem Ansehen von Deutschland? Denn das tut sie doch, oder? Oder?! Baumann legt sich den Ball auf dem Elfmeterpunkt zurecht:
Natürlich wollen wir eine stabile Regierung […]
…natürlich, was sonst? Naja:
[…], aber keine Regierung überhaupt stabil sein aus einer Union, die alle unsere Wahlversprechen übernommen hat und dann hinterher alle bricht und mit linksgrün, deren Projekte sie beenden wollen, eine Koalition macht.
Nun ja, alle Wahlversprechen hat die Union nicht von der AfD übernommen, aber das ist natürlich eine wirkmächtige Erzählung, die hier erneut unwidersprochen in die Welt gesendet wird. Aber hier zeigt sich doch sehr deutlich das Problem, dass sich die Unionsparteien mit dem AfD-Imititationswahlkampf selbst geschaffen haben: man übernimmt zumindest in Teilen deren Forderungen, kann sie dann aber nicht erfüllen, weil Realität und so und die AfD kann dann weiter behaupten: mit uns würde es klappen. Darüber hätte ich mit Herrn Baumann aber auch nicht sprechen wollen, wäre ich hier der Reporter. Gefragt hätte ich allerdings mal, wen die AfD inzwischen alles unter linksgrün
subsumiert: Grüne? Grüne und SPD? Die FDP? Den HSV, die deutsche Bahn, die Kreishandwerkerschaft Ostholstein? Mit einer der genannten Parteien haben die Unionsparteien jedenfalls eine Koalition. Bernd Baumann setzt ab hier zum Schlussakkord an, lustigerweise hebt er nach jedem aufgezählten Punkt die Stimme und macht eine kleine Pause, in die ein Reporter Zwischenfragen stellen könnte, aber… passiert natürlich nicht:
Das kann überhaupt nicht stabil sein. Und dann ist mir lieber, das bricht von vornherein zusammen im Sinne Deutschlands. Und wir machen eine vernünftige Politik in Zukunft, wie die Wähler das wollen. Es gibt hier Mehrheiten, für all die Fragen, die im Raume stehen, für all die Fragen, die Merz auch versprochen hat, zu lösen [sic]. Also wir sind da jetzt guter Hoffnung. Demokratie funktioniert.
Zusammenbruch im Sinne Deutschlands
, das hatten wir ja schon einmal. Was das mit vernünftiger Politik zu tun haben soll? Ich weiß es nicht. Dann folgt aber eine bittere Wahrheit: es gibt eine Mehrheit von Union und AfD, und wenn mit den Fragen, die im Raum stehen, die ähnlichen Konzepte beider Parteien gemeint sind, dann stimmt auch das. Guter Hoffnung
war ja auch der olle Helmut Kohl so gerne, meint aber auch wieder etwas anderes, als früher Kohl und heute Baumann damit mein(t)en. Aber Herr Baumann ist zuversichtlich: Demokratie funktioniert
. Richtig. Leider gerade nicht so, wie ich mir das vorstelle.
Was auch funktioniert: PR. Und die bekommt die AfD mit diesem Interview mal wieder kostenfrei vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk serviert. Bernd Baumann darf von Anfang bis Ende lügen, dogwhistling betreiben, Dinge falsch behaupten, die jeder der sich mit Politik auskennt, sofort widerlegen könnte. Und er darf von einem innerparteilichen Putsch rechter Abweichler in der CDU fabulieren und gleichzeitig noch ein Loblied auf die Demokratie singen.
Wir haben es hier nicht mit einer großen Talkshow oder einem ARD-Brennpunkt zu tun, wo Alice Weidel eingeladen ist und den rechtsextremen Quatsch labert, den ihre rechtsextreme Partei nunmal ausmacht und was alle von ihr erwarten. Es geht hier nicht um Quoten. Das hier ist die Brot-und-Butter-Berichterstattung aus dem parlamentarischen Betrieb. Und diese ist in höchstem Maße problematisch bis katastrophal. Warum fragt der Reporter nicht nach? Warum unterbricht er nicht? Warum entlarvt er Baumann nicht vor laufender Kamera?
Leider weiß ich die Antwort: weil er das auch bei jedem und jeder anderen Sprecher*in anderer Parteien auch nicht getan hätte. Es ist ein völlig normales Interview in dem Sinne, dass eine dusslige Einstiegsfrage gestellt wird[2] und dann für zwei Minuten das Mikro hingehalten wird, in denen der Counterpart sagen kann, was er will. Das ist kein guter Journalismus, aber das ist das Gros des Journalismus, den uns die Öffentlich-Rechtlichen jeden Tag liefern. Und dieser ist der PR-Maschine der Parteien nicht gewachsen und war es noch nie. Nur das bisher halt die meisten Parteien nicht die Demokratie abschaffen wollten.
Die Demokratie sollte aber auch auf den Parlamentsfluren verteidigt werden[3], das ist der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Und das findet zur Zeit nicht statt.
Um diese Art von möglicher Unmöglichkeit auszudrücken, scheint es der deutschen Grammatik an Werkzeugen zu fehlen. ↩︎
„Herr Klinsmann, warum hat die Nationalmannschaft nicht gewonnen?“ ↩︎
Auch wenn man den Gang vor der AfD-Fraktion ohne weiteres als den Hindukusch des Bundestages bezeichnen könnte. ↩︎
Unser*e Spieler*in in Atomfall erwacht ohne Gedächtnis in einem Bunker in der Quarantänezone um das explodierte Atomkraftwerk Windscale im Jahr 1961. In der Atomfabrik an der englischen Westküste, die heute Sellafield heisst, hat es tatsächlich 1957 einen atomaren Zwischenfall gegeben, das „Windscale fire“. Die Sache wurde jedoch soweit es eben ging heruntergespielt, da das dort produzierte Tritium zum Bau einer Wasserstoffbombe benötigt wurde… Wenn das nicht mal ein perfektes Setting ist, um darum eine mittelschwere Verschwörungsstory zu stricken, also irgendwas sollte durch oder in dem Atomkraftwerk versteckt werden. Und irgendeinen Grund muss es geben, dass in netten englischen Kleinstädten der 60er Jahre, riesenhafte Kampfroboter umherstreifen.
Wer Atomfall noch nicht gespielt hat, noch spielen will, aber fuchsteufelswild wird, wenn ihm schon Kleinigkeiten gespoilert werden, der sollte nicht weiterlesen!
Atomfall also ist ein Open-World-Egoshooter und das Setting spielt in einer Quarantänezone um ein explodiertes Atomkraftwerk. Das hört sich natürlich sehr nach Stalker an, mit dem es sonst aber nicht viel zu tun hat. Dagegen ist es vor allem ein kleines Spiel, mit einer recht übersichtlichen „open world“ und einer gleichsam viel leichteren Atmosphäre, was sich am krassesten wohl darin äußert, dass immer Tag ist. Also Sommertag nachmittag, wenn wir nicht gerade in irgendwelchen Bunkern, Minen, der Kanalisation oder natürlich den dunklen Gängen des besagten Atomkraftwerkes und seiner Forschungseinrichtungen herumschleichen. Und die Gegner sind meist kleinere Banden von Banditen oder die Anhänger*innen eines Keltenkults, seltener mutierte Superzombies und ab und an mal ein Kampfroboter.
Wie all diese Wesen in das Nordengland der 60er-Jahre kommen, verrate ich mal trotz Spoilerhinweis noch nicht. Das ist aber genau die Zeit, in der das Spiel angesiedelt ist und das ist auch irgendwie die USP von Atomfall. Alles, von der Landschaft, der Ausrüstung bis hin zu jedem einzelnen NPC atmet die Seele Großbritanniens der hier in der Provinz not so roaring 60’s, so groß war Britannien zu dieser Zeit im Lake District wahrscheinlich gar nicht. Und: ohen Untertitel kommt nur aus, wer den nordenglischen Dialekt verstehen kann, der in der Gegend gesprochen wird, auf eine Synchro wurde aus Gründen der Authenzität verzichtet. Well…
Unser*e Held*in wacht also in einem Bunker auf, kriegt mit auf den Weg gegeben, dass aus der Zone zu fliehen ist und auf geht’s. Das erste Erlebnis: in einer typisch englischen, roten Telefonzelle klingelt das Telefon und eine Stimme teilt uns mit: „Oberon must die“. Dass es hier nicht um den Elfenkönig geht und die Sache kein Sommernachtstraum, ist uns da schon klar. Schließlich brennt oder vielmehr strahlt im Hintergrund auch noch das zerstörte Atomkraftwerk.
Wir sind also auf einer Quest, um die Quarantänezone zu verlassen. Dabei begegnen wir vielen feindlich gesonnenen Figuren, die im Regelfall über den Haufen geschossen, gesprengt oder mit dem Cricketschläger geprügelt werden. Wir finden Hinweise, lösen Rätsel, öffnen riesige Bunkertüren und bringen das Forschungszentrum unter dem AKW wieder ans Netz. Kleinigkeit.
Sein Kampfsystem hat Atomfall zu großen Teilen von Sniper Elite geerbt, wenn auch in einer leicht abgespeckten und gefühlt leichter bedienbaren Version. Es schießt sich durchaus einfach und auch mit dem Cricket-Schläger kommen wir in der Regel zum Ziel. Allerdings, ähnlich wie in Sniper Elite ist unser alter ego auch ganz schön verletzlich und schnell am Ende, sobald die stets gut zielenden Gegner uns treffen. Vor allem im Nahkampf mit den zombifizierten Schutzanzugträgern müssen wir schon extrem vorsichtig sein. Was immer hilft, ist etwas in ihrer Nähe in die Luft zu jagen. Ansonsten gilt für den Nahkampf immer: sich die Gegner mit einem beherzten Tritt zurechtlegen und dann draufhalten… und die Roboter, sind wirklich viel zu leicht auszuschalten.
Das „Quest-System“ allerdings ist komplett anders aufgebaut: wo es in Sniper Elite klare Missionen und Befehle gibt, muss sich unser*e Protagonist*in in Atomfall alles mühevoll selbst erarbeiten. Dafür gibt es aber hunderte Hinweise, mit denen das Spiel gepflastert ist und die immer neue Rätsel und Nebengeschichten eröffnen. Alles führt zwar letztlich zum Abschluss, aber es ist genauso möglich sich Verbündete und Freunde zu suchen, wie alle Leute über den Haufen zu schießen. Letztlich bleibt es den Spieler*innen überlassen. Die Bedienung der Hinweisbibliothek ist allerdings hin und wieder etwas hakelig.
Passend zu dieser Idee, gibt es wohl sechs unterschiedliche Enden für Atomfall. Wenn die allerdings alle so ausfallen, wie das, welches ich bis zum Schluß verfolgt habe… also ich sag mal so: das Ende ist nicht das beste in dem Spiel. Also lieber mal alle Quests und Sidequests durchspielen, statt schnell zum Ende zu drängen.
]]>