Couchblog Das Weblog von Nico Brünjes. 2025-09-04T15:00:43Z https://couchblog.de Nico Brünjes nico@couchblog.de <![CDATA[RSS]]> 2025-09-04T14:46:35Z https://couchblog.de/blog/2025/09/04/rss/ Ein weiteres Phänomen der Bloggeschichte würde ich als the rise and fall of the several RSS formats bezeichnen wollen. Auf keinem Blog der 2000er Jahre fehlte das kleine orangefarbene Icon mit den drei Funkwellen, hinter dem sich eine maschinenlesbare Version des Blogs verbarg. RSS-Reader waren die Programme, die diese Informationen auswerten konnten und so Weblogs in Masse zugänglich machten. Dieses Format war dermaßen wichtig,

  • dass sich seine Entwickler*innen über die Weiterentwicklung so zerstritten, dass es das eine RSS nie gegeben hat;
  • dass es nicht nur die Verbreitung von Weblogs wesentlich förderte, sondern auch Podcasts zur Geburt und zum Erfolg verhalf;
  • dass es, als Google es in die Finger bekam, einen Sargnagel im Niedergang der Blogs von damals bedeutete.

RSS, really simple Sprachverwirrung

RSS war nur für einen sehr kurzen Zeitraum seiner bis heute andauernden Existenz ein eindeutig definiertes Format. Stattdessen brach schnell Streit um den Inhalt des Formats und die Richtung, in die es sich entwickeln sollte, aus. Erfunden wurde RSS als „RDF Site Summary“ von Netscape, die es 1998 in der Version 0.90 veröffentlichten und auf ihrem „My Netscape“-Webportal einsetzten, um im damals herrschenden Portal-Krieg eine Funktion bereitzustellen, die den anderen fehlte: ein Widget, das Überschriften anderer Websites anzeigen konnte. Der Name referenzierte das Resource Description Framework zwar, hatte damit allerdings wenig bis gar nichts zu tun. In der Version 0.91 von 1999 wurde RDF dann durch XML ersetzt und die Bedeutung des Akronyms zu „Rich Site Summary“ umgedeutet. In dieser Version wurden viele Vorschläge und Tags des scripting news format von Dave Winer integriert, der sein Blog Scripting News damit ausgestattet hatte und sowohl dieses als auch RSS in seiner Blogsoftware Radio UserLand integriert hatte. Winer warb unablässig für das Thema Content Syndication und machte es in der damals noch jungen Blogosphäre bekannt.

Mit der gesteigerten Verbreitung stiegen aber auch die Ansprüche an die Weiterentwicklung des Formats. Da Netscape es selbst nicht weiterentwickelte, versuchten unterschiedliche Parteien, unterschiedliche Ansätze durchzusetzen. Winer wollte das Format in seiner Einfachheit beibehalten, sodass es leicht zu schreiben und zu lesen (also zu programmieren) blieb. Andere wollten es modular erweiterbar machen – durch Namespaces oder die Rückkehr zu RDF. Der Streit ging im Kern darum, ob man nun das semantische Web bauen wollte oder Autor*innen ein einfaches Format zur Syndikation zur Verfügung stellen sollte. Ersteres mag Netscapes Idee bei RSS gewesen sein, Letzteres ist das, was Winer schon mit seinem scripting news format verfolgt hatte.

Winer wurde irgendwann ungeduldig und veröffentlichte Netscapes RSS 0.91 als UserLand RSS 0.91 auf seiner Website. Kurze Zeit später veröffentlichte die ohne Winer gegründete RSS-DEV Working Group ein Proposal für „RDF Site Summary (RSS) 1.0“. Woraufhin Winer seinen Fork weiterentwickelte und RSS 0.92 veröffentlichte.

Auf den Blogs jener Zeiten äußerte sich dieser Streit um das Format dergestalt, dass die Autor*innen ihre Inhalte (dank CMS-Unterstützung) in unterschiedlichen Formaten bereitstellten; schnell gab es unterschiedliche Buttons für die untereinander inkompatiblen RSS-Varianten. Zumal noch weitere hinzukamen: RSS 2.0 (eine Weiterentwicklung von RSS 0.92) und schließlich Atom), ein neues Format, basierend auf XML und Namespaces. Die meisten Feedreader allerdings konnten die meisten der Formate lesen (ganz anders als … ähm … Menschen), deshalb war es mehr eine politische Aussage, welche der Buttons wir in unseren Blogs nutzten. Oder der Ahnungslosigkeit. Oder …: Also, ich mochte die vielen kleinen Blogbuttons.🤪

Podcasts, das erfolgreichste RSS-Feature

RSS 0.92 hatte neben wenigen inhaltlichen Neuerungen ein Feature, das in der Nachschau die Welt geändert hat: das Tag <enclosure>. Hierin kann eine URL angegeben werden, hinter der sich bspw. ein Audio verbergen kann. Jetzt fielen aber im Jahr 2000 nicht gleich die Podcasts vom Himmel. Zunächst einmal war es nötig, dass Apple 2001 seinen iPod vorstellte. Und es dauerte noch einmal zwei Jahre, bis Adam Curry ein AppleScript vorstellte, das Audiodateien, die per RSS geladen wurden, automatisch auf den iPod übertragen konnte. Der erste Podcatcher war geboren, und der kam noch ohne User Interface aus. Und ohne die Bezeichnung „Podcast“, die erst ein Jahr später gedroppt wurde. Ab 2004 stand Podcasting also in den Startlöchern und wartete auf Erfolg. Der aber eigentlich erst zehn Jahre später wirklich eintrat. Zwar stiegen die Nutzungszahlen kontinuierlich, aber erst ab 2014 explodierten die Zugriffszahlen. Ein Grund dafür war natürlich, dass nun praktisch jede*r einen iPod inklusive Podcatcher in der Hosentasche hatte – der Siegeszug der Smartphones war eine Voraussetzung. Die andere wichtige Sache war, dass ab 2014 Podcasts mit entsprechend non-nerdy Inhalten zur Verfügung standen, z. B. Serial, die Millionen Zugriffe erreichten.

Während Apple schon sehr früh in die Podcastwelt einstieg, dort aber zunächst für Unordnung in Form von Abmahnungen wegen der Nutzung des Begriffs „iPod“ sorgte, gibt es auf Spotify erst seit 2016 Podcasts zu hören. 2019 stieg Spotify mit diversen Zukäufen allerdings sehr stark in die Podcastproduktion ein. Seitdem werden immer mehr Podcasts über Musikstreamingdienste ausgeliefert und immer weniger direkt via RSS.

Google und der Reader

Jetzt habe ich schon viel darüber geschrieben, wie Dinge mit RSS verbreitet wurden, aber wenig über die Konsumseite der Medaille. Bis zum 13. März 2013 machten das die meisten Blogger*innen, die ich damals kannte, mit dem Google Reader. Mit diesem kostenlosen Service konnten Blogger*innen ihren gesamten Blog-Konsum mithilfe von RSS-Feeds an einem Ort zusammenfassen. Feeds konnten importiert und in Ordnern organisiert werden; je nach Gestaltung bekam man so eigene Startseiten mit ausschließlich Artikeln aus den ausgewählten Quellen. Eine Zeit lang konnten Artikel im Reader auch geteilt werden, diese Funktion wurde jedoch 2011 durch den unsäglichen +1-Button von Google Plus ersetzt. (Dieser Versuch eines sozialen Netzwerks von Google ist ausdrücklich keinen eigenen Link wert.) Das war bis zu einem gewissen Punkt alles sehr praktisch, und für sehr viele Blogger*innen war der Reader sicherlich der erste Einstieg in den Blogging-Alltag.

At its peak, Reader had just north of 30 million users, many of them using it every day. That’s a big number — by almost any scale other than Google’s. Google scale projects are about hundreds of millions and billions of users, and executives always seemed to regard Reader as a rounding error.

The Verge: Who killed Google Reader (2023)

Das war Google allerdings nicht genug. Unter der Behauptung, der Dienst würde nicht erfolgreich genutzt, schaltete man den Reader unter großem Protest einfach ab. Dieses Video erklärt die Situation irgendwie sehr gut. Der Google Reader wurde dem aufkommenden Web 2.0 geopfert …

RSS, an der Sollbruchstelle zu Social Media

Was bei den technischen und politischen Betrachtungen bisher untergegangen sein mag, ist die Frage nach dem „Warum das alles?“. Warum waren (und sind) RSS und Atom so wichtig? Und warum haben sie ihren Stellenwert verloren?

„There was a fantastic universal sense that whatever we were doing was right, that we were winning…
And that, I think, was the handle — that sense of inevitable victory over the forces of Old and Evil.
Not in any mean or military sense; we didn’t need that. Our energy would simply prevail.
There was no point in fighting — on our side or theirs.
We had all the momentum; we were riding the crest of a high and beautiful wave…
So now, less than five years later, you can go up on a steep hill in Las Vegas and look West, and with the right kind of eyes you can almost see the high-water mark — that place where the wave finally broke and rolled back.

Hunter S. Thompson, Fear and Loathing in Las Vegas

Was RSS den Blogs der 2000er Jahre gebracht hat, war Vernetzung. Einzelne im Raum existierende Weblogs vernetzten sich via RSS zu inhaltlich größeren Einheiten. Ich schätze, die meisten Konsument*innen von Weblogs waren auch gleichzeitig Betreiber*innen mindestens eines Blogs. Und jede*r Leser*in kuratierte sich das schier endlose Angebot an Inhalten in seinem RSS-Reader. Die Inhalte wurden dort gelesen oder es wurde zumindest entschieden, ob man das Blog besuchen, den (ganzen) Artikel lesen und ggf. noch kommentieren wollte.

Im Google Reader entstand eine zusätzliche Ebene, die den Content dort miteinander verwob – einerseits durch Tags, vor allem aber durch die Sharing-Funktion, mit der man Artikel, die man entdeckt hatte, sammeln und weitergeben konnte, wieder als RSS-Feed. Es entstanden Inhaltsnetzwerke, basierend auf freien Technologien und offenen Standards. Nur war es eben auch ein Fehler, sich dabei auf Firmen wie Google zu verlassen – das zeigte das Ende des Readers sehr deutlich. Statt daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, wurde genau in dem Moment alles noch viel schlimmer, und Facebook, Twitter usw. begannen ihren Siegeszug (mit den bekannten Auswirkungen). Das waren dann die wirklichen Sargnägel der Blogosphäre …

Das Lustige an offenen Standards ist aber, dass sie so schnell nicht weggehen. RSS oder Atom gibt es natürlich immer noch. Meinen Feed erreichst du beispielsweise hier. Und immer noch (oder wieder) werden Dienste auf diesen Standards gebaut. Und Blogs sind ja auch immer noch da. Es ist also noch nicht alles verloren. RSS ist nicht tot, es riecht nur komisch.

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<![CDATA[Permalink]]> 2025-08-30T07:40:30Z https://couchblog.de/blog/2025/08/30/permalink/ Als ich gestern so über Movable Type grübelte, kam mir ein Begriff aus alten Tagen in den Sinn: Permalink. Das Kofferwort aus permanent und hyperlink hat speziell mit Bloggen eigentlich nichts zu tun, sondern mehr mit den seinerzeit erst kurz abgeschlossenen Diskussion darum, wie man dieses world wide web nun zu benutzen hatte. Aber es war einer dieser typischen Begriffe, die zu der Zeit nur in Blogs auftauchten, wie bspw. auch RSS (dazu später mehr).

Ein Permalink ist also die Adresse zu einem bestimmten Beitrag oder Artikel, die auch langfristig unverändert bleibt. Die Nutzung des Begriffs wurde vor allem dadurch nötig, dass es in Blogs auch andere Links gab, die zwar in sich natürlich auch permanent waren, aber eben nicht auf ein bestimmtes Item oder einen bestimmten Artikel zeigten. Das waren die Listen von Artikeln, allen voran die Homepage des Blogs, auf der in der Regel die neuesten Einträge aufgelistet wurden, vom Neuesten an rückwärts, meist durch eine bestimmte Anzahl begrenzt und paginiert. Oft waren das sehr viele, auch sehr kurze Einträge (Beispiel), so dass z. B. auf der Startseite auch gleich den ganzen ungekürzten Artikeltext gelesen werden konnte. Diese Einträge wanderten wenn neue Artikel erschienen in der Liste nach unten und dann auf Seite zwei der Liste und so weiter. Sollte darauf verlinkt werden, war eben jener Permalink nötig, der den Artikel direkt, meist auf einer eigenen Seite aufrief und so zitierfähig wurde. Was ja eine weitere Kulturtechnik des Bloggens jener Zeit war: sich gegenseitig zu verlinken. In den allermeisten Fällen zeigte der Permalink also auf eine Artikelseite (Beispiel), nur sehr wenige Blogs sammelte ihre Einträge auf Tagesseiten, auf denen dann der einzelne Artikel per #-Sprungmarke permanent erreichbar war (Beispiel).

Im Grunde liegt das System auf der Hand, vor allem aus heutiger Sicht, die später starke Verbreitung von Wordpress hat da vieles glatt gezogen, aber der Ausgangspunkt von Blogs waren einfache handgepflegte Webseiten, bei denen die Betreiber*innen ihre neuesten Nachrichten und Beiträge einfach am Anfang der Seite einfügten. Der Einsatz von Blogsoftware und Content Management Systemen, sowie Syndicatiomstechniken wie RSS wurden erst mit dem Bloggen entwickelt, bis es dann ab 2001 mit einem Male allgegenwärtig wurde. Das gegenseitige Vernetzen in Form von Verlinkungen war dabei die essentielle Kulturtechnik. All das waren widerum Faktoren, die Blogs so erfolgreich bei Suchmaschinen machten, seinerzeit.

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<![CDATA[Trotts tolle Blogsoftware]]> 2025-08-29T12:36:06Z https://couchblog.de/blog/2025/08/29/trotts-tolle-blogsoftware/ Vor rund 23 Jahren erschien die erste Version von Movable Type, einer — ach was: der — damals wegweisenden Blogsoftware. Ben Trott schrieb damals die erste Version von MT, damit seine Frau Mena ihr Blog damit betreiben konnte, und legte so den Grundstein für das Unternehmen Six Apart, das relativ schnell die Geschicke von MT übernahm und eine Zeit lang eines der führenden Unternehmen in der Blogosphäre war.

Ich persönlich habe MT geliebt: Es gab mir die Möglichkeit, mehrere Blogs gleichzeitig zu betreiben, und sein Templatesystem war wie für mich geschaffen, um meine ersten Gehversuche in der Webentwicklung zu machen. Wenn ich doch nur cool mit URIs gewesen wäre … oder mit Backups …

Six Apart gründete 2003 Typepad, einen Bloghosting-Dienst. Es war sicherlich nicht der erste Blogservice, aber der edelste: Neben etlichen US-Promiblogger*innen, die Typepad nutzten, betreute das Unternehmen die Blogs von großen Medienhäusern wie der BBC.

Als 2004 die Lizenz der Blogsoftware angepasst wurde, um daraus ein kommerzielles Softwareprodukt zu machen, wanderten zahlreiche Nutzer*innen zum gerade frisch aus der Taufe gehobenen geforkten WordPress ab. Oder zu Textpattern, das es ebenfalls heute noch gibt. Was waren wir zickig seinerzeit, aber wir hatten ja recht.

Six Apart kaufte Firmen auf (z. B. LiveJournal), wurde aber auch selbst aufgekauft oder gemergt. Später dann wieder verkauft — eine typische Internet-Karriere. Seit 2020 hat der Dienst bereits keine neuen Registrierungen mehr angenommen, Ende September wird der Betrieb nun ganz eingestellt und alle noch existierenden Blogs werden vom Netz genommen. Movable Type existiert noch, aber wohl eher als Nischenprodukt.

Update, 30.08.2025: Irgendwo unterwegs ist mir die Hälfte des letzten Absatzes abhanden gekommen, ist jetzt korrigiert. Außerdem habe ich die Reiehenfolge von zwei Absätzen getauscht um die zeitlich Abfolge zu wahren.

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<![CDATA[Klöckners PR Maschine]]> 2025-08-19T09:50:15Z https://couchblog.de/blog/2025/08/19/kloeckners-pr-maschine/ Julia Klöckner ist in der CDU längst nicht mehr nur die freundliche Weinbotschafterin, als die sie mal verkauft wurde. Sie ist inzwischen eine der lautesten Stimmen am rechten Rand ihrer Partei. Doch statt politische Arbeit zu machen, betreibt sie ein Geschäftsmodell: rechte Talking Points ins Netz kippen – und warten, bis Medien (sogenannte soziale und die Presse) den Rest erledigt.

Das Drehbuch ist immer gleich:

  1. Klöckner haut einen „Hot Take“ raus.
  2. Rechte Social-Media-Accounts greifen das auf, blasen es groß.
  3. Die Online-Medien greifen es auf, um Klicks mitzunehmen.
  4. Und am Ende reden plötzlich alle über das, was sie uns in die Timelines gespuckt hat.

Extra perfide ihre aktuelle Erzählung, mit der sie direkt die Presse (die taz in Vertretung) attackiert: es bleibt den anderen Medien gar nichts anderes übrig, als zur Widerlegung Klöckners Mist zu reproduzieren.

Dabei bräuchte man ihre Einwürfe gar nicht, um zu wissen, wo sie politisch steht. Klöckner gehört zum Lager, das mit Jens Spahn kungelt, an die Hufeisentheorie glaubt wie andere an Tageshoroskope und „Neutralität“ vor allem als Werkzeug versteht, um rechte Frames salonfähig zu machen. Kurzum: Sie klingt oft eher wie eine AfD-Pressesprecherin auf Probe und nicht wie eine „bürgerliche“ CDU-Frau.

Und genau deswegen ist es gefährlich, in die Empörungsfalle zu tappen. Jeder empörte Retweet, jeder zitierende Artikel macht ihren Talking Points größer, als sie es eigentlich verdienen. Das Muster ist alt – und wird erst dann langweilig, wenn wir es als das behandeln, was es ist: ein PR-Trick.

Diskussion gerne hier bei Mastodon.

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<![CDATA[Das Leben ist eines der Härtesten]]> 2025-08-11T09:50:15Z https://couchblog.de/blog/2025/08/11/das-leben-ist-eines-der-haertesten/ Ich will jetzt gerade gar nicht über die Podcasts schreiben, die ich so konsumiere, aber zu diesem Buch bin ich über einen Podcasts gekommen, den ich gar nicht höre. Giulia Becker ist Host des mehrfach ausgezeichneten „Drinnies“-Podcast. Mit ihrem Co-Host Chris Sommer, war sie zu Gast und zwar bei „Was bisher geschah“. Und ich fand das lustig und so habe ich mir das Buch von Giulia Becker besorgt. Also nicht das aktuelle, sondern ihren Debütroman: „Das Leben ist eines der Härtesten“.

Luftholpausemach.

Eine lakonisch und mit präzisem Blick erzählte Geschichte über aus dem Ruder gelaufene Lebensentwürfe.

Brigitte

Ja nun ach. Ich sag mal, eigentlich kaufe ich keine Bücher, in deren Klappentext die Brigitte zitiert wird. Aber gut, es gab noch andere Stimmen:

Eine feinfühlige Beobachtung des ‹einfachen Menschen› mit all seinen Marotten, so wie er eben ist, im Leben.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

OK, FAS ist auch überhaupt nicht mein Ding. Wie kann man denn in einem einzigen Satz derart viel Raum zwischen sich und zunächst stellvertretend die Figuren des Buches, in Wahrheit aber die Leser*innen dieses Buches, vulgo „die einfachen Menschen“ bringen? Da fällt mir doch das Schampus-Glas aus der Hand, mein lieber Herr Feuilltonistenkackarsch. Was schreiben denn Springers Spießgesellen dazu?

Bissig und humorvoll.

B.Z.

Also ich habe für sowas gar keine Zeit. Da hätten sie ja auch gleich „Es ist ein Buch.“ schreiben können. Ist genauso wahr. Zumal ich die Bissigkeit vielleicht sogar ein wenig in Abrede stellen würde.

OK, also nochmal. Giulia Becker arbeitet unter anderem im Team von Jan Böhmermann, ich nehme an, sie schreibt dort witzige Dinge auf. Und so ist natürlich auch das Buch. Jemand hat witzige Dinge aufgeschrieben. Oder vielmehr: witzige Figuren entworfen. Also so Typen, wie du und ich. Da ist die unausgefüllte Mutti, deren Lieblingshund ertrunken ist und die ihre Seele mit Teleshopping beruhigt. Da ist die Mitarbeiterin der Bahnhofsmission, die ihre Hilfsbereitschaft schon manches Mal in Teufels Küche gebracht hat. Und ihr Ex-Mann, der sich eine Existenz als Sonderposten-Topverkäufer aufzubauen versucht. Da ist der nikotinabhängige Brieftaubenpfleger mit dem Hundehass, der am liebsten Onlinekniffel spielt, die einsame Oma, der krebskranke Obdachlose und der Chef der Bahnhofsmission, der letztere in eine Art Starbucks umwandeln möchte. Und alle diese kruden und spleenigen Charaktere treffen nun in einem Buch… an einem Ort zusammen: Borken. Und Borken scheint so etwas wie das Delmenhost von Nordrhein-Westfalen zu sein, nur halt ohne Sarah Connor.

Ja, das kann lustig sein. Oder etwas gezwungen wirken. Gegebenenfalls auch beides. Der Plot jedenfalls ist ungefähr so aufregend, wie die Buchkritiken in der Brigitte. Wir verlieren uns in Backgroundstories, die zwar witzig sind, aber keine Story voran bringen, dann gibt es ein wenig Story, aber auch die löst sich wieder in Wohlgefallen auf um Platz zu machen für einen zweiten kleinen Plot, der sich ohne jeden Twist an das Echo des ersten anschließt und dann ist auch schon happy end und alle sind froh, dass es vorbei ist.

Der perfekte Lesestoff für eine über Stendal umgeleitete Sechs-Stunden-Bahnfahrt von Hamburg nach Berlin. Ach nee…

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<![CDATA[Die Abgehobenen]]> 2025-07-25T08:39:22Z https://couchblog.de/blog/2025/07/25/die-abgehobenen/ Sicherlich, es ist nur ein guter Aufhänger, der nicht ewig funktionieren wird, aber: Die Rechten haben Recht! In gewisser Weise, jedenfalls, wie Moritz Neumeier ganz richtig feststellt: „Wir werden verarscht – aber nicht von Flüchtenden, Feminist:innen oder Scheiß-Greta Thunberg. Sondern von den Superreichen.“ Genauer gesagt von den Eliten dieses Landes, die Regierung und Wirtschaft zu ihren Gunsten eingerichtet haben, wir nennen das Neoliberalismus.

Cover: Die Abgehobenen

Nun ist „Eliten“ ebenfalls so ein Kampfbegriff der Rechtsextremen geworden, die darunter aber etwas ganz anderes verstehen, als eigentlich gemeint ist. Für die AfD gehört jeder zur Elite, der anderer Meinung ist als sie selbst, aber nicht in das Ausländer-Raus-Opferschema passt. Dieser Eliten-Begriff verdeckt aber gewissermaßen, dass es in unserem Land (und in Europa und in der USA und so weiter), tatsächlich eine Elite gibt, einen verschwindend geringen Prozentsatz der Bevölkerung, die auf sich einen Großteil des Geldes und der Macht auf sich vereinigen.

Eine solide Definition des Begriffs und ein gigantisches Konvolut an Statistiken und Studien, hat Elitenforscher Michael Hartmann schon 2019 in seinem Buch „Die Abgehobenen“ zusammengetragen. Es ist ein Buch, dass einem in gewisser Weise die Augen öffnet, denn selbst wenn man im täglichen Echauffieren über korrupte Politker*innen, dem Meckern über „die da oben“ oder dem Wissen, dass eins niemals wirklich zu Geld kommen wird, während andere mit dem sprichwörtlichem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, schon irgendwie ahnt, was da abgeht, ist die Realität doch noch um einiges dramatischer.

Die Eliten sind ein abgehobener Selbstrekrutierungsbetrieb, der die Demokratie aushöhlt. Nur durch eine durchgreifende soziale Öffnung der politischen Elite ist eine Wende möglich. – Campus Verlag

Kann ich sehr zum Lesen empfehlen, zufällig gibt es das Buch auch gerade für einen schlappen Fünfer bei der bdp. Also los: kaufen und lesen.

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<![CDATA[Die große Welle vor Kanagawa]]> 2025-07-24T11:09:27Z https://couchblog.de/blog/2025/07/24/die-grosse-welle-vor-kanagawa/ Neulich bei einer Geburtstagsparty in einem Schrebergarten, der Ort sei deswegen betont, weil ich vielleicht nicht erwartet hätte an einem solchen Ort in eine derartige Diskussion verwickelt zu werden, spricht mich also eine Frau auf mein T-Shirt an, auf dem der obige Holzschnitt abgebildet ist. Falsche Erwartungshaltung hin oder her, in der Regel rechne ich mit Lob, wenn mich jemand auf meine T-Shirts anspricht, was gar nicht so selten vorkommt, in der Regel gebe ich das Lob dann zu Hause an die beste T-Shirt-Aussucherin der Welt weiter, mit der ich zufällig und dankenswerterweise verheiratet bin. Aber weit gefehlt, hier wurde ich, mit vorwurfsvollem Untertone gefragt, ob ich denn überhaupt wüsste, was da auf meinem T-Shirt abgebildet ist.

Nun habe ich ja nicht an die 50 Semester den Internetfernkurs „Pop- und Memekultur“ belegt, also ich weiß natürlich, was das für ein Bild ist. Gut ich kann vielleicht nicht den Titel 神奈川沖浪裏 Kanagawa oki nami ura in japanisch wiedergeben, weiß aber, dass er „Die große Welle vor Kanagawa“ oder genauer „Unter der Welle im Meer vor Kanagawa“ heißt, ein Farbholzschnitt im Ukiyo-e Stil ist und aus der Serie „36 Ansichten des Berges Fuji“ stammt, die der japanische Künstler Katsushika Hokusai zwischen 1830 und 1836 hergestellt hat.

„Das wäre aber nun schade, dass solche Kunst zu Drucken auf T-Shirts verkommt“, war die schnippische Anmerkung die mir daraufhin zu Teil wurde und hätte ich das Gespräch weiter geführt, wären wir sicher bei kultureller Aneignung gelandet, aber zum Glück war der nächste Fauxpas schon zur Hand mich aus der Situation zu retten: die Lammkoteletts waren gerade fertig am Grill!

Wobei ich natürlich noch einiges hätte hinzufügen können. Weil gerade die Welle empfinde ich als ein ganz hervorragendes Stück Popkultur, eben weil es so alt ist. Hokusai war einer des wichtigsten Künstler der Kunstgeschichte und hatte großen Einfluss auf Leute, die wir im Westen heute besser kennen: VanGogh, Gaugin oder Monet. Und gleichzeitig oder gerade deswegen, ist es ein Stück Popkultur geworden. Natürlich gibt es auch T-Shirts mit der Mona Lisa, aber dagegen ist die Welle im Netz quasi allgegenwärtig. Und im RL. Poster, Tassen, Wandteller, dem Kitsch- und Souvenir-Handel sind dank Gemeinfreiheit keine Grenzen gesetzt. Das Apple-Emoji 🌊 (Welle) ist dem Bild nachempfunden. Das Bild ist Thema eines Kinderbuches. Es ist auf der Rückseite der 1000-Yen Banknote. Auf einem Pfeiler der Augustusbrücke in Dresden steht das Kunstwerk „Die Woge“ von Tobias Stengel, eine Reproduktion eines Teils des Holzschnittes. Das ist Weltkunst, Popkultur und Meme in einem, keine kulturelle Aneignung.

Und ich kann mich niemals daran satt sehen.

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<![CDATA[Iron Man]]> 2025-07-23T09:57:23Z https://couchblog.de/blog/2025/07/23/iron-man/ Darüber wer Heavy Metal begründet hat, woher er kam und ob diese Musikrichtung nicht vielmehr entdeckt statt erfunden wurde, die Fachmenschen mögen sich trefflich streiten. Sicher ist, wenn Heavy Metal eine Heimat hat, dann sind es die düsteren und feuchten englischen Midlands, das dreckige Birmingham und das alkohol- und drogenzerfurchte Hirn von Ozzy Osbourne. Black Sabbath haben den Metal nicht erfunden, aber sie waren die erste Metalband, die auch gleich das erste Subgenre des Metal gebaren: black metal. Ozzy Osbourne hat dabei all die Klischees gesetzt, die lange Zeit, ja zum Teil bis heute, Menschen mit heavy metal verbinden. Ohne Schweineblut und abgebissene Hühnerköpfe ging ja lange Zeit nichts in diesem Genre. Sollte es eine Hölle geben: Ozzy wartet dort am Eingang auf dich…

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<![CDATA[Balthasar]]> 2025-07-05T00:00:00Z https://couchblog.de/blog/2025/07/05/balthasar/
Julian McMahon ist tot.
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<![CDATA[Mr. Blonde]]> 2025-07-04T06:16:18Z https://couchblog.de/blog/2025/07/04/mr-blonde/
Michael Madsen ist tot.
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<![CDATA[ <p>Ein weiteres Phänomen der Bloggeschichte würde ich als <em>the rise and fall of the several RSS formats</em> bezeichnen wollen. Auf keinem Blog der 2000er Jahre fehlte das kleine orangefarbene Icon mit den drei Funkwellen, hinter dem sich eine maschinenlesbare Version des Blogs verbarg. RSS-Reader waren die Programme, die diese Informationen auswerten konnten und so Weblogs in Masse zugänglich machten. 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Erfunden wurde RSS als „RDF Site Summary“ von Netscape, die es 1998 in der Version 0.90 veröffentlichten und auf ihrem „My Netscape“-Webportal einsetzten, um im damals herrschenden <a href="https://cybercultural.com/p/portals-1998/">Portal-Krieg</a> eine Funktion bereitzustellen, die den anderen fehlte: ein Widget, das Überschriften anderer Websites anzeigen konnte. Der Name referenzierte das <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Resource_Description_Framework">Resource Description Framework</a> zwar, hatte damit allerdings wenig bis gar nichts zu tun. In der Version 0.91 von 1999 wurde RDF dann durch <abbr title="eXtensible Markup Language">XML</abbr> ersetzt und die Bedeutung des Akronyms zu „Rich Site Summary“ umgedeutet. In dieser Version wurden viele Vorschläge und Tags des <em>scripting news format</em> von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dave_Winer">Dave Winer</a> integriert, der sein Blog <em>Scripting News</em> damit ausgestattet hatte und sowohl dieses als auch RSS in seiner Blogsoftware <em>Radio UserLand</em> integriert hatte. Winer warb unablässig für das Thema Content Syndication und machte es in der damals noch jungen Blogosphäre bekannt.</p> <p>Mit der gesteigerten Verbreitung stiegen aber auch die Ansprüche an die Weiterentwicklung des Formats. Da Netscape es selbst nicht weiterentwickelte, versuchten unterschiedliche Parteien, unterschiedliche Ansätze durchzusetzen. Winer wollte das Format in seiner Einfachheit beibehalten, sodass es leicht zu schreiben und zu lesen (also zu programmieren) blieb. Andere wollten es modular erweiterbar machen – durch Namespaces oder die Rückkehr zu RDF. Der Streit ging im Kern darum, ob man nun das semantische Web bauen wollte oder Autor*innen ein einfaches Format zur Syndikation zur Verfügung stellen sollte. Ersteres mag Netscapes Idee bei RSS gewesen sein, Letzteres ist das, was Winer schon mit seinem <em>scripting news format</em> verfolgt hatte.</p> <p>Winer wurde irgendwann <a href="http://essaysfromexodus.scripting.com/backissues/2000/06/07/#rss">ungeduldig</a> und veröffentlichte Netscapes RSS 0.91 als UserLand RSS 0.91 auf seiner Website. Kurze Zeit später veröffentlichte die ohne Winer gegründete RSS-DEV Working Group ein Proposal für „<a href="https://web.resource.org/rss/1.0/spec">RDF Site Summary (RSS) 1.0</a>“. Woraufhin Winer seinen Fork weiterentwickelte und RSS 0.92 veröffentlichte.</p> <p>Auf den Blogs jener Zeiten äußerte sich dieser Streit um das Format dergestalt, dass die Autor*innen ihre Inhalte (dank CMS-Unterstützung) in unterschiedlichen Formaten bereitstellten; schnell gab es unterschiedliche Buttons für die untereinander inkompatiblen RSS-Varianten. Zumal noch weitere hinzukamen: RSS 2.0 (eine Weiterentwicklung von RSS 0.92) und schließlich <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Atom_(web_standard)">Atom</a>), ein neues Format, basierend auf XML und Namespaces. Die meisten Feedreader allerdings konnten die meisten der Formate lesen (ganz anders als … ähm … Menschen), deshalb war es mehr eine politische Aussage, welche der Buttons wir in unseren Blogs nutzten. Oder der Ahnungslosigkeit. Oder …: Also, ich mochte die vielen kleinen Blogbuttons.🤪</p> <h2 id="podcasts%2C-das-erfolgreichste-rss-feature" tabindex="-1"><a class="header-anchor" href="https://couchblog.de/blog/2025/09/04/rss/#podcasts%2C-das-erfolgreichste-rss-feature"><span>Podcasts, das erfolgreichste RSS-Feature</span></a></h2> <p>RSS 0.92 hatte neben wenigen inhaltlichen Neuerungen ein Feature, das in der Nachschau die Welt geändert hat: das Tag <code>&lt;enclosure&gt;</code>. Hierin kann eine URL angegeben werden, hinter der sich bspw. ein Audio verbergen kann. Jetzt fielen aber im Jahr 2000 nicht gleich die Podcasts vom Himmel. Zunächst einmal war es nötig, dass Apple 2001 seinen iPod vorstellte. Und es dauerte noch einmal zwei Jahre, bis <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Adam_Curry">Adam Curry</a> ein AppleScript vorstellte, das Audiodateien, die per RSS geladen wurden, automatisch auf den iPod übertragen konnte. Der erste Podcatcher war geboren, und der kam noch ohne User Interface aus. Und ohne die Bezeichnung „Podcast“, die erst ein Jahr später <a href="https://www.theguardian.com/media/2004/feb/12/broadcasting.digitalmedia">gedroppt</a> wurde. Ab 2004 stand Podcasting also in den Startlöchern und wartete auf Erfolg. Der aber eigentlich erst zehn Jahre später wirklich eintrat. Zwar stiegen die Nutzungszahlen kontinuierlich, aber erst ab 2014 explodierten die Zugriffszahlen. Ein Grund dafür war natürlich, dass nun praktisch jede*r einen iPod inklusive Podcatcher in der Hosentasche hatte – der Siegeszug der Smartphones war eine Voraussetzung. Die andere wichtige Sache war, dass ab 2014 Podcasts mit entsprechend non-nerdy Inhalten zur Verfügung standen, z. B. <a href="https://www.nytimes.com/interactive/2022/podcasts/serial-productions.html">Serial</a>, die Millionen Zugriffe erreichten.</p> <p>Während Apple schon sehr früh in die Podcastwelt einstieg, dort aber zunächst für Unordnung in Form von Abmahnungen wegen der Nutzung des Begriffs „iPod“ sorgte, gibt es auf <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Spotify#Podcasts">Spotify erst seit 2016 Podcasts zu hören</a>. 2019 stieg Spotify mit diversen Zukäufen allerdings sehr stark in die Podcastproduktion ein. Seitdem werden immer mehr Podcasts über Musikstreamingdienste ausgeliefert und immer weniger direkt via RSS.</p> <h2 id="google-und-der-reader" tabindex="-1"><a class="header-anchor" href="https://couchblog.de/blog/2025/09/04/rss/#google-und-der-reader"><span>Google und der Reader</span></a></h2> <p>Jetzt habe ich schon viel darüber geschrieben, wie Dinge mit RSS verbreitet wurden, aber wenig über die Konsumseite der Medaille. Bis zum 13. März 2013 machten das die meisten Blogger*innen, die ich damals kannte, mit dem <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Google_Reader">Google Reader</a>. Mit diesem kostenlosen Service konnten Blogger*innen ihren gesamten Blog-Konsum mithilfe von RSS-Feeds an einem Ort zusammenfassen. Feeds konnten importiert und in Ordnern organisiert werden; je nach Gestaltung bekam man so eigene Startseiten mit ausschließlich Artikeln aus den ausgewählten Quellen. Eine Zeit lang konnten Artikel im Reader auch geteilt werden, diese Funktion wurde jedoch 2011 durch den unsäglichen <code>+1</code>-Button von Google <em>Plus</em> ersetzt. (Dieser Versuch eines sozialen Netzwerks von Google ist ausdrücklich keinen eigenen Link wert.) Das war bis zu einem gewissen Punkt alles sehr praktisch, und für sehr viele Blogger*innen war der Reader sicherlich der erste Einstieg in den Blogging-Alltag.</p> <figure class="quotation"> <blockquote cite="https://www.theverge.com/23778253/google-reader-death-2013-rss-social"> <p>At its peak, Reader had just north of 30 million users, many of them using it every day. That’s a big number — by almost any scale other than Google’s. Google scale projects are about hundreds of millions and billions of users, and executives always seemed to regard Reader as a rounding error.</p> </blockquote> <figcaption class="c-blockquote__attribution">The Verge: <a href="https://www.theverge.com/23778253/google-reader-death-2013-rss-social">Who killed Google Reader (2023)</a></figcaption> </figure> <p>Das war Google allerdings nicht genug. Unter der Behauptung, der Dienst würde nicht erfolgreich genutzt, schaltete man den Reader <a href="https://archive.nytimes.com/bits.blogs.nytimes.com/2013/03/14/the-end-of-google-reader-sends-internet-into-an-uproar/">unter großem Protest</a> einfach ab. <a href="https://youtu.be/A25VgNZDQ08">Dieses Video</a> erklärt die Situation irgendwie sehr gut. Der Google Reader wurde dem aufkommenden Web 2.0 geopfert …</p> <h2 id="rss%2C-an-der-sollbruchstelle-zu-social-media" tabindex="-1"><a class="header-anchor" href="https://couchblog.de/blog/2025/09/04/rss/#rss%2C-an-der-sollbruchstelle-zu-social-media"><span>RSS, an der Sollbruchstelle zu Social Media</span></a></h2> <p>Was bei den technischen und politischen Betrachtungen bisher untergegangen sein mag, ist die Frage nach dem „Warum das alles?“. Warum waren (und sind) RSS und Atom so wichtig? Und warum haben sie ihren Stellenwert verloren?</p> <figure class="quotation"> <blockquote> <p>„There was a fantastic universal sense that whatever we were doing was right, that we were winning…<br /> And that, I think, was the handle — that sense of inevitable victory over the forces of Old and Evil.<br /> Not in any mean or military sense; we didn’t need that. Our energy would simply prevail.<br /> There was no point in fighting — on our side or theirs.<br /> We had all the momentum; we were riding the crest of a high and beautiful wave…<br /> So now, less than five years later, you can go up on a steep hill in Las Vegas and look West, and with the right kind of eyes you can almost see the high-water mark — that place where the wave finally broke and rolled back.</p> </blockquote> <figcaption class="c-blockquote__attribution">Hunter S. Thompson, Fear and Loathing in Las Vegas</figcaption> </figure> <p>Was RSS den Blogs der 2000er Jahre gebracht hat, war Vernetzung. Einzelne im Raum existierende Weblogs vernetzten sich via RSS zu inhaltlich größeren Einheiten. Ich schätze, die meisten Konsument*innen von Weblogs waren auch gleichzeitig Betreiber*innen mindestens eines Blogs. Und jede*r Leser*in kuratierte sich das schier endlose Angebot an Inhalten in seinem RSS-Reader. Die Inhalte wurden dort gelesen oder es wurde zumindest entschieden, ob man das Blog besuchen, den (ganzen) Artikel lesen und ggf. noch kommentieren wollte.</p> <p>Im Google Reader entstand eine zusätzliche Ebene, die den Content dort miteinander verwob – einerseits durch Tags, vor allem aber durch die Sharing-Funktion, mit der man Artikel, die man entdeckt hatte, sammeln und weitergeben konnte, wieder als RSS-Feed. Es entstanden Inhaltsnetzwerke, basierend auf freien Technologien und offenen Standards. Nur war es eben auch ein Fehler, sich dabei auf Firmen wie Google zu verlassen – das zeigte das Ende des Readers sehr deutlich. Statt daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, wurde genau in dem Moment alles noch viel schlimmer, und Facebook, Twitter usw. begannen ihren Siegeszug (mit den bekannten Auswirkungen). Das waren dann die wirklichen Sargnägel der Blogosphäre …</p> <p>Das Lustige an offenen Standards ist aber, dass sie so schnell nicht weggehen. RSS oder Atom gibt es natürlich immer noch. Meinen Feed erreichst du beispielsweise <a href="https://couchblog.de/feed/">hier</a>. Und immer noch (oder wieder) werden <a href="https://uberblogr.de/">Dienste</a> auf diesen Standards gebaut. Und Blogs sind ja auch immer noch da. Es ist also noch nicht alles verloren. <a href="https://isrssdead.com/">RSS ist nicht tot</a>, es riecht nur komisch.</p> ]]>
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<![CDATA[ Permalink ]]>
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<updated>2025-08-30T07:40:30Z</updated>
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<![CDATA[ <p>Als ich gestern so über Movable Type <a href="https://couchblog.de/blog/2025/08/29/trotts-tolle-blogsoftware/">grübelte</a>, kam mir ein Begriff aus alten Tagen in den Sinn: <em>Permalink</em>. Das Kofferwort aus <em>permanent</em> und <em>hyperlink</em> hat speziell mit Bloggen eigentlich nichts zu tun, sondern mehr mit den seinerzeit erst kurz abgeschlossenen Diskussion darum, wie man dieses <em>world wide web</em> nun zu benutzen hatte. Aber es war einer dieser typischen Begriffe, die zu der Zeit nur in Blogs auftauchten, wie bspw. auch RSS (dazu später mehr).</p> <p>Ein Permalink ist also die Adresse zu einem bestimmten Beitrag oder Artikel, die auch langfristig unverändert bleibt. Die Nutzung des Begriffs wurde vor allem dadurch nötig, dass es in Blogs auch andere Links gab, die zwar in sich natürlich auch permanent waren, aber eben nicht auf ein bestimmtes Item oder einen bestimmten Artikel zeigten. Das waren die Listen von Artikeln, allen voran die Homepage des Blogs, auf der in der Regel die neuesten Einträge aufgelistet wurden, vom Neuesten an rückwärts, meist durch eine bestimmte Anzahl begrenzt und paginiert. Oft waren das sehr viele, auch sehr kurze Einträge (<a href="https://web.archive.org/web/20040519090653/http://schockwellenreiter.de/">Beispiel</a>), so dass z. B. auf der Startseite auch gleich den ganzen ungekürzten Artikeltext gelesen werden konnte. Diese Einträge wanderten wenn neue Artikel erschienen in der Liste nach unten und dann auf Seite zwei der Liste und so weiter. Sollte darauf verlinkt werden, war eben jener Permalink nötig, der den Artikel direkt, meist auf einer eigenen Seite aufrief und so zitierfähig wurde. Was ja eine weitere Kulturtechnik des Bloggens jener Zeit war: sich gegenseitig zu verlinken. In den allermeisten Fällen zeigte der Permalink also auf eine Artikelseite (<a href="https://couchblog.de/couchblog/2002/05/05/focus-ueber-blogs/">Beispiel</a>), nur sehr wenige Blogs sammelte ihre Einträge auf Tagesseiten, auf denen dann der einzelne Artikel per <code>#</code>-Sprungmarke permanent erreichbar war (<a href="http://scripting.com/1997/06.html#macweekSteveWozniakSays">Beispiel</a>).</p> <p>Im Grunde liegt das System auf der Hand, vor allem aus heutiger Sicht, die später starke Verbreitung von Wordpress hat da vieles glatt gezogen, aber der Ausgangspunkt von Blogs waren einfache handgepflegte Webseiten, bei denen die Betreiber*innen ihre neuesten Nachrichten und Beiträge einfach am Anfang der Seite einfügten. Der Einsatz von <a href="http://radio.userland.com/">Blogsoftware</a> und Content Management Systemen, sowie Syndicatiomstechniken wie RSS wurden erst mit dem Bloggen entwickelt, bis es dann ab 2001 mit einem Male allgegenwärtig wurde. Das gegenseitige Vernetzen in Form von Verlinkungen war dabei die essentielle Kulturtechnik. All das waren widerum Faktoren, die Blogs so erfolgreich bei Suchmaschinen machten, seinerzeit.</p> ]]>
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<![CDATA[ Trotts tolle Blogsoftware ]]>
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<updated>2025-08-29T12:36:06Z</updated>
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<![CDATA[ <p>Vor rund 23 Jahren erschien die erste Version von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Movable_Type">Movable Type</a>, einer — ach was: der — damals wegweisenden Blogsoftware. <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Trott">Ben Trott</a> schrieb damals die erste Version von MT, damit seine Frau <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Mena_Grabowski_Trott">Mena</a> ihr Blog damit betreiben konnte, und legte so den Grundstein für das Unternehmen <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Six_Apart">Six Apart</a>, das relativ schnell die Geschicke von MT übernahm und eine Zeit lang eines der führenden Unternehmen in der Blogosphäre war.</p> <blockquote> <p>Ich persönlich habe MT geliebt: Es gab mir die Möglichkeit, <a href="https://web.archive.org/web/20020802114907/http://lernen.couchblog.org/">mehrere</a> <a href="https://web.archive.org/web/20020516134108/http://nico.couchblog.org/">Blogs</a> <a href="https://web.archive.org/web/20020605162918/http://www.couchblog.org/logger-alt/">gleichzeitig</a> zu <a href="http://bassreflex.couchblog.org/">betreiben</a>, und sein Templatesystem war wie für mich geschaffen, um meine ersten Gehversuche in der Webentwicklung zu machen. Wenn ich doch nur <a href="https://www.w3.org/Provider/Style/URI">cool</a> mit URIs gewesen wäre … oder mit Backups …</p> </blockquote> <p>Six Apart gründete 2003 <a href="https://www.typepad.com/">Typepad</a>, einen Bloghosting-Dienst. Es war sicherlich nicht der erste Blogservice, aber der edelste: Neben etlichen US-Promiblogger*innen, die Typepad nutzten, betreute das Unternehmen die Blogs von großen Medienhäusern wie der BBC.</p> <p>Als 2004 die Lizenz der Blogsoftware angepasst wurde, um daraus ein kommerzielles Softwareprodukt zu machen, wanderten zahlreiche Nutzer*innen zum gerade frisch aus der Taufe <s>gehobenen</s> <a href="https://ma.tt/2003/01/the-blogging-software-dilemma/">geforkten</a> WordPress ab. Oder zu <a href="https://textpattern.com/">Textpattern</a>, das es ebenfalls heute noch gibt. Was waren wir zickig seinerzeit, aber wir hatten ja recht.</p> <p>Six Apart kaufte Firmen auf (z. B. LiveJournal), wurde aber auch selbst aufgekauft oder gemergt. Später dann wieder verkauft — eine typische Internet-Karriere. Seit 2020 hat der Dienst bereits keine neuen Registrierungen mehr angenommen, <a href="https://everything.typepad.com/blog/2025/08/typepad-is-shutting-down.html">Ende September wird der Betrieb nun ganz eingestellt</a> und alle noch existierenden Blogs werden vom Netz genommen. Movable Type existiert noch, aber wohl eher <a href="https://www.movabletype.org/">als Nischenprodukt</a>.</p> <p><strong>Update, 30.08.2025:</strong> <em>Irgendwo unterwegs ist mir die Hälfte des letzten Absatzes abhanden gekommen, ist jetzt korrigiert. Außerdem habe ich die Reiehenfolge von zwei Absätzen getauscht um die zeitlich Abfolge zu wahren.</em></p> ]]>
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<![CDATA[ Klöckners PR Maschine ]]>
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<updated>2025-08-19T09:50:15Z</updated>
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<![CDATA[ <p>Julia Klöckner ist in der CDU längst nicht mehr nur die freundliche Weinbotschafterin, als die sie mal verkauft wurde. Sie ist inzwischen eine der lautesten Stimmen am rechten Rand ihrer Partei. Doch statt politische Arbeit zu machen, betreibt sie ein Geschäftsmodell: rechte Talking Points ins Netz kippen – und warten, bis Medien (sogenannte soziale und die Presse) den Rest erledigt.</p> <p>Das Drehbuch ist immer gleich:</p> <ol> <li>Klöckner haut einen „Hot Take“ raus.</li> <li>Rechte Social-Media-Accounts greifen das auf, blasen es groß.</li> <li>Die Online-Medien greifen es auf, um Klicks mitzunehmen.</li> <li>Und am Ende reden plötzlich alle über das, was sie uns in die Timelines gespuckt hat.</li> </ol> <p>Extra perfide ihre aktuelle Erzählung, mit der sie direkt die Presse (die taz in Vertretung) attackiert: es bleibt den anderen Medien gar nichts anderes übrig, als zur Widerlegung Klöckners Mist zu reproduzieren.</p> <p>Dabei bräuchte man ihre Einwürfe gar nicht, um zu wissen, wo sie politisch steht. Klöckner gehört zum Lager, das mit Jens Spahn kungelt, an die Hufeisentheorie glaubt wie andere an Tageshoroskope und „Neutralität“ vor allem als Werkzeug versteht, um rechte Frames salonfähig zu machen. Kurzum: Sie klingt oft eher wie eine AfD-Pressesprecherin auf Probe und nicht wie eine „bürgerliche“ CDU-Frau.</p> <p>Und genau deswegen ist es gefährlich, in die Empörungsfalle zu tappen. Jeder empörte Retweet, jeder zitierende Artikel macht ihren Talking Points größer, als sie es eigentlich verdienen. <strong>Das Muster ist alt – und wird erst dann langweilig, wenn wir es als das behandeln, was es ist: ein PR-Trick.</strong></p> <p>Diskussion gerne <a href="https://digitalcourage.social/@nicobruenjes/115054700217436588">hier bei Mastodon</a>.</p> ]]>
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<![CDATA[ Das Leben ist eines der Härtesten ]]>
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<updated>2025-08-11T09:50:15Z</updated>
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<![CDATA[ <p>Ich will jetzt gerade gar nicht über die Podcasts schreiben, die ich so konsumiere, aber zu diesem Buch bin ich über einen Podcasts gekommen, den ich gar nicht höre. Giulia Becker ist Host des mehrfach ausgezeichneten „<a href="https://drinnies.de/">Drinnies</a>“-Podcast. Mit ihrem Co-Host Chris Sommer, war sie zu Gast und zwar bei „<a href="https://wondery.com/shows/was-bisher-geschah/episode/15099-die-grossten-drinnies-der-geschichte-mit-giulia-becker-amp-chris-sommer/">Was bisher geschah</a>“. Und ich fand das lustig und so habe ich mir das Buch von Giulia Becker besorgt. Also nicht das aktuelle, sondern ihren Debütroman: „<a href="https://www.rowohlt.de/buch/giulia-becker-das-leben-ist-eins-der-haertesten-9783499610882">Das Leben ist eines der Härtesten</a>“.</p> <p>Luftholpausemach.</p> <figure class="quotation"> <blockquote> <p>Eine lakonisch und mit präzisem Blick erzählte Geschichte über aus dem Ruder gelaufene Lebensentwürfe.</p> </blockquote> <figcaption class="c-blockquote__attribution">Brigitte</figcaption> </figure> <p>Ja nun ach. Ich sag mal, eigentlich kaufe ich keine Bücher, in deren Klappentext die Brigitte zitiert wird. Aber gut, es gab noch andere Stimmen:</p> <figure class="quotation"> <blockquote> <p>Eine feinfühlige Beobachtung des ‹einfachen Menschen› mit all seinen Marotten, so wie er eben ist, im Leben.</p> </blockquote> <figcaption class="c-blockquote__attribution">Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung</figcaption> </figure> <p>OK, FAS ist auch überhaupt nicht mein Ding. Wie kann man denn in einem einzigen Satz derart viel Raum zwischen sich und zunächst stellvertretend die Figuren des Buches, in Wahrheit aber die Leser*innen dieses Buches, vulgo „die einfachen Menschen“ bringen? Da fällt mir doch das Schampus-Glas aus der Hand, mein lieber Herr Feuilltonistenkackarsch. Was schreiben denn Springers Spießgesellen dazu?</p> <figure class="quotation"> <blockquote> <p>Bissig und humorvoll.</p> </blockquote> <figcaption class="c-blockquote__attribution">B.Z.</figcaption> </figure> <p>Also ich habe für sowas gar keine Zeit. Da hätten sie ja auch gleich „Es ist ein Buch.“ schreiben können. Ist genauso wahr. Zumal ich die Bissigkeit vielleicht sogar ein wenig in Abrede stellen würde.</p> <p>OK, also nochmal. Giulia Becker arbeitet unter anderem im Team von Jan Böhmermann, ich nehme an, sie schreibt dort witzige Dinge auf. Und so ist natürlich auch das Buch. Jemand hat witzige Dinge aufgeschrieben. Oder vielmehr: witzige Figuren entworfen. Also so Typen, wie du und ich. Da ist die unausgefüllte Mutti, deren Lieblingshund ertrunken ist und die ihre Seele mit Teleshopping beruhigt. Da ist die Mitarbeiterin der Bahnhofsmission, die ihre Hilfsbereitschaft schon manches Mal in Teufels Küche gebracht hat. Und ihr Ex-Mann, der sich eine Existenz als Sonderposten-Topverkäufer aufzubauen versucht. Da ist der nikotinabhängige Brieftaubenpfleger mit dem Hundehass, der am liebsten Onlinekniffel spielt, die einsame Oma, der krebskranke Obdachlose und der Chef der Bahnhofsmission, der letztere in eine Art Starbucks umwandeln möchte. Und alle diese kruden und spleenigen Charaktere treffen nun in einem Buch… an einem Ort zusammen: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Borken">Borken</a>. Und Borken scheint so etwas wie das Delmenhost von Nordrhein-Westfalen zu sein, nur halt ohne Sarah Connor.</p> <p>Ja, das kann lustig sein. Oder etwas gezwungen wirken. Gegebenenfalls auch beides. Der Plot jedenfalls ist ungefähr so aufregend, wie die Buchkritiken in der Brigitte. Wir verlieren uns in Backgroundstories, die zwar witzig sind, aber keine Story voran bringen, dann gibt es ein wenig Story, aber auch die löst sich wieder in Wohlgefallen auf um Platz zu machen für einen zweiten kleinen Plot, der sich ohne jeden Twist an das Echo des ersten anschließt und dann ist auch schon happy end und alle sind froh, dass es vorbei ist.</p> <p>Der perfekte Lesestoff für eine über Stendal umgeleitete Sechs-Stunden-Bahnfahrt von Hamburg nach Berlin. Ach nee…</p> ]]>
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<![CDATA[ Die Abgehobenen ]]>
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<updated>2025-07-25T08:39:22Z</updated>
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<![CDATA[ <p>Sicherlich, es ist nur ein guter Aufhänger, der nicht ewig funktionieren wird, aber: <a href="https://youtu.be/LZLZJWVFZvs?si=8tb3JJaIf2tYirPO">Die Rechten haben Recht!</a> In gewisser Weise, jedenfalls, wie Moritz Neumeier ganz richtig feststellt: „Wir werden verarscht – aber nicht von Flüchtenden, Feminist:innen oder Scheiß-Greta Thunberg. Sondern von den Superreichen.“ Genauer gesagt von den Eliten dieses Landes, die Regierung und Wirtschaft zu ihren Gunsten eingerichtet haben, wir nennen das <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Neoliberalismus">Neoliberalismus</a>.</p> <figure><img src="https://couchblog.de/blog/2025/abgehoben.jpg" alt="" /><figcaption>Cover: Die Abgehobenen</figcaption></figure> <p>Nun ist „Eliten“ ebenfalls so ein Kampfbegriff der Rechtsextremen geworden, die darunter aber etwas ganz anderes verstehen, als eigentlich gemeint ist. Für die AfD gehört jeder zur Elite, der anderer Meinung ist als sie selbst, aber nicht in das Ausländer-Raus-Opferschema passt. Dieser Eliten-Begriff verdeckt aber gewissermaßen, dass es in unserem Land (und in Europa und in der USA und so weiter), tatsächlich eine Elite gibt, einen verschwindend geringen Prozentsatz der Bevölkerung, die auf sich einen Großteil des Geldes und der Macht auf sich vereinigen.</p> <p>Eine solide Definition des Begriffs und ein gigantisches Konvolut an Statistiken und Studien, hat <em>Elitenforscher</em> Michael Hartmann schon 2019 in seinem Buch „<a href="https://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wirtschaft-gesellschaft/politik/die_abgehobenen-15095.html?srsltid=AfmBOoqAgAtBJxnM76UFsRuphK9k5teFx5VkdiTseFj262Fx9A9OnaGa">Die Abgehobenen</a>“ zusammengetragen. Es ist ein Buch, dass einem in gewisser Weise die Augen öffnet, denn selbst wenn man im täglichen Echauffieren über korrupte Politker*innen, dem Meckern über „die da oben“ oder dem Wissen, dass eins niemals wirklich zu Geld kommen wird, während andere mit dem sprichwörtlichem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, schon irgendwie ahnt, was da abgeht, ist die Realität doch noch um einiges dramatischer.</p> <blockquote> <p>Die Eliten sind ein abgehobener Selbstrekrutierungsbetrieb, der die Demokratie aushöhlt. Nur durch eine durchgreifende soziale Öffnung der politischen Elite ist eine Wende möglich. – Campus Verlag</p> </blockquote> <p>Kann ich sehr zum Lesen empfehlen, zufällig gibt es das Buch auch gerade <a href="https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/293089/die-abgehobenen/">für einen schlappen Fünfer bei der bdp</a>. Also los: kaufen <em>und</em> lesen.</p> ]]>
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<![CDATA[ Die große Welle vor Kanagawa ]]>
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<updated>2025-07-24T11:09:27Z</updated>
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<![CDATA[ <p>Neulich bei einer Geburtstagsparty in einem Schrebergarten, der Ort sei deswegen betont, weil ich vielleicht nicht erwartet hätte <a href="https://www.youtube.com/watch?v=yNKOI-75E7A" title="At the dog park!!!">an einem solchen Ort in eine derartige Diskussion</a> verwickelt zu werden, spricht mich also eine Frau auf mein T-Shirt an, auf dem der obige Holzschnitt abgebildet ist. Falsche Erwartungshaltung hin oder her, in der Regel rechne ich mit Lob, wenn mich jemand auf meine T-Shirts anspricht, was gar nicht so selten vorkommt, in der Regel gebe ich das Lob dann zu Hause an die beste T-Shirt-Aussucherin der Welt weiter, mit der ich zufällig und dankenswerterweise verheiratet bin. Aber weit gefehlt, hier wurde ich, mit vorwurfsvollem Untertone gefragt, ob ich denn überhaupt wüsste, was da auf meinem T-Shirt abgebildet ist.</p> <p>Nun habe ich ja nicht an die 50 Semester den Internetfernkurs „Pop- und Memekultur“ belegt, also ich weiß natürlich, was das für ein Bild ist. Gut ich kann vielleicht nicht den Titel 神奈川沖浪裏 <q>Kanagawa oki nami ura</q> in japanisch wiedergeben, weiß aber, dass er „Die große Welle vor Kanagawa“ oder genauer „Unter der Welle im Meer vor Kanagawa“ heißt, ein Farbholzschnitt im <em>Ukiyo-e</em> Stil ist und aus der Serie „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/36_Ansichten_des_Berges_Fuji">36 Ansichten des Berges Fuji</a>“ stammt, die der japanische Künstler <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Katsushika_Hokusai">Katsushika Hokusai</a> zwischen 1830 und 1836 hergestellt hat.</p> <p>„Das wäre aber nun schade, dass solche Kunst zu Drucken auf T-Shirts verkommt“, war die schnippische Anmerkung die mir daraufhin zu Teil wurde und hätte ich das Gespräch weiter geführt, wären wir sicher bei kultureller Aneignung gelandet, aber zum Glück war der nächste Fauxpas schon zur Hand mich aus der Situation zu retten: die Lammkoteletts waren gerade fertig am Grill!</p> <p>Wobei ich natürlich noch einiges hätte hinzufügen können. Weil gerade die Welle empfinde ich als ein ganz hervorragendes Stück Popkultur, eben <em>weil</em> es so alt ist. Hokusai war einer des wichtigsten Künstler der Kunstgeschichte und hatte großen Einfluss auf Leute, die wir im Westen heute besser kennen: VanGogh, Gaugin oder Monet. Und gleichzeitig oder gerade deswegen, ist es ein Stück Popkultur geworden. Natürlich gibt es auch T-Shirts mit der Mona Lisa, aber dagegen ist die Welle im Netz quasi allgegenwärtig. Und im RL. Poster, Tassen, Wandteller, dem Kitsch- und Souvenir-Handel sind dank Gemeinfreiheit keine Grenzen gesetzt. Das Apple-Emoji 🌊 (Welle) ist dem Bild nachempfunden. Das Bild ist Thema <a href="https://anmutunddemut.de/2017/12/20/die-grosse-welle-nach-einem-bild-von-hokusai.html">eines Kinderbuches</a>. Es ist auf der Rückseite der 1000-Yen Banknote. Auf einem Pfeiler der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Augustusbr%C3%BCcke#Kunstwerke">Augustusbrücke in Dresden</a> steht das Kunstwerk „Die Woge“ von Tobias Stengel, eine Reproduktion eines Teils des Holzschnittes. Das ist Weltkunst, Popkultur und Meme in einem, keine kulturelle Aneignung.</p> <p>Und ich kann mich niemals daran satt sehen.</p> ]]>
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<![CDATA[ Iron Man ]]>
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<updated>2025-07-23T09:57:23Z</updated>
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<![CDATA[ <p>Darüber wer Heavy Metal begründet hat, woher er kam und ob diese Musikrichtung nicht vielmehr entdeckt statt erfunden wurde, die Fachmenschen mögen sich trefflich streiten. Sicher ist, wenn Heavy Metal eine Heimat hat, dann sind es die düsteren und feuchten englischen Midlands, das dreckige Birmingham und das alkohol- und drogenzerfurchte Hirn von Ozzy Osbourne. Black Sabbath haben den Metal nicht erfunden, aber sie waren die erste Metalband, die auch gleich das erste Subgenre des Metal gebaren: <em>black metal</em>. Ozzy Osbourne hat dabei all die Klischees gesetzt, die lange Zeit, ja zum Teil bis heute, Menschen mit heavy metal verbinden. Ohne Schweineblut und abgebissene Hühnerköpfe ging ja lange Zeit nichts in diesem Genre. Sollte es eine Hölle geben: Ozzy wartet dort am Eingang auf dich…</p> <p class="cc-copyright">Foto: <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ozzy_Osbourne_1982.jpg">Ted Van Pelt</a> unter <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.0">CC BY 2.0</a>.</p> ]]>
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<![CDATA[ Balthasar ]]>
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<updated>2025-07-05T00:00:00Z</updated>
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<![CDATA[ <figure><img src="https://couchblog.de/blog/2025/mcmahon.jpg" alt="" /><figcaption>Julian McMahon ist tot.</figcaption></figure> <p class="cc-copyright">Foto: <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Julian_McMahon_Dec_2011_(cropped).jpg">Danny Casillas</a> unter <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.en">CC BY-SA 2.0</a>.</p> ]]>
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<![CDATA[ Mr. Blonde ]]>
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<updated>2025-07-04T06:16:18Z</updated>
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<![CDATA[ <figure><img src="https://couchblog.de/blog/2025/michaelmadsen.jpg" alt="" /><figcaption>Michael Madsen ist tot.</figcaption></figure> <p class="cc-copyright">Foto: <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Michael_Madsen_by_Gage_Skidmore.jpg">Gage Skidmore</a> unter <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en">CC BY-SA 3.0</a>.</p> ]]>
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