Geiz ist geil
Beim Elektronik-Preisdumper stehen die Espressomaschinen in der Haushaltsgeräteabteilung in langer Reihe ausgestellt. Eine Maschine schöner als die andere. Das Angebot reicht von technischen Wunderwerken, designerisch den Replikatorstationen bei Raumschiff Enterprise nachempfunden, bis zu retrostyled One-Man-One-Hand-Geräten, sehr italienisch alles. Eine Maschine zieht Tanjas Aufmerksakeit auf sich. Weniger die Maschine hat es ihr angetan, als die Utensilien, die darum drappiert sind: Ein großer Holzkasten (Tropenholz natürlich, sehr italienisch das alles), in dem sauber nach Farben getrennt die verschiedenen verfügbaren Kaffeesorten in den für diese Maschine benötigten Plastikkapseln dargeboten werden. Dazu ein Stapel Plastikespressotässchen, kleine Plastiklöffel, Milch, Zucker, ja sogar zwei kleine Flaschen Monin-Sirup stehen da. Der Wassertank der Maschine ist gefüllt, alles lädt zum Ausprobieren ein.
Tanja schaut sich suchend um. Keine Bedienung, Verkäuferin, Aufsicht weit und breit.
– Ob man sich da selbst bedienen soll?? – Denke ich nicht, das macht doch bestimmt jemand für Dich. – Achwas, schau doch mal, ist alles da. Ich probier’ das mal…
Sie nimmt sich einen Becher, stellt ihn in die Maschine. Soweit gut. Eine Kapsel wird ausgesucht, nein doch nicht den Entkoffinierten!, also gut, die Goldfarbende. Die Kapsel wird eingelegt. Funktioniert. Und jetzt? Den Hebel ziehen, nach vorne, und schon läuft herrlich duftender Espresso in den Becher.
– Ob die Maschine weiss, wann der Becher voll ist? – Ja sicher, sonst läuft das doch über!
Aber die Maschine weiß nicht, wann der Becher gefüllt ist. Und schon läuft die Suppe an den Seiten herab in den Auffangbehälter unter der Tasse. Tanja greift beherzt nach dem Hebel und schiebt ganz zurück. Prompt beginnt mit lautem Krach, hohem Druck und viel Dampf, aus der Aufschäumdüse neben der Tasse, Wasser zu spritzen und das nicht zu knapp. Dieses Wasser läuft natürlich nicht in den Auffangbehälter, sondern verteilt sich rasch im kompletten Regal. Tanja quittiert den überraschenden Effekt mit einem lauten Quieken. Ein rascher Griff an den Hebel: der Dampfstrahl ist sofort aus, dafür läuft wieder Espresso in den Becher! Dann doch noch die Erleuchtung: der Hebel kennt offenbar drei Stellungen. In der Mitte zwischen den beiden Extremen plaziert, gibt die Maschine endlich Ruhe.
Na gut, wir haben den Espresso. Und er schmeckt dem Schreck entsprechend aufregend. Tanja zuckert noch ein wenig, während ich bereits aufs Abhauen dränge, man ist dann doch auf uns aufmerksam geworden. Eine unfreundlich dreinschauende Verkäuferin nähert sich
– Ahh, sie haben sich also schon selbst bedient. Das war eigentlich nicht vorgesehen. Schmeckt der Espresso denn? – Jaja, schmeckt hervorragend. Aber ein bißchen teuer die Maschine. Schade.
Und schon sind wir weg. Gestern war ich wieder beim Elektronikdiscounter. Irgendwer hat an jeder Maschine ein Schild befestigt: “Keine Selbstbedienung!” Kann ich verstehen, die sind ja auch ganz schön gefährlich die Dinger. Und einen Dreck machen die…
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