Seit ca. drei bis vier Jahren setze ich mich recht ausführlich mit der japanischen Zeichentrick- und Comickunst auseinander, also mit Animes und Mangas. Natürlich gehe ich nicht auf Conventions und ich verkleide mich auch nicht als Tsubasa, aber ich schaue doch ziemlich viele Filme aus dem Bereich, dazu kommen etlich Serien und Comicbooks. Und obwohl Anime eine ganz eigene, eigentlich sehr abgeschlossene Welt repräsentieren, fiel mir der Einstieg darin doch überraschend leicht. Im Grunde kam es mir vor, als hätte ich schon immer – von jüngster Kindheit an Animes konsumiert. Eine kurze Recherche hat dann ergeben: genauso ist es gewesen. Ich habe schon im Alter von sechs bis sieben Jahren meine ersten Animeserien geschaut, beinahe täglich sogar, im damals noch dreikanaligem deutschen Fernsehen. Und vielen ist es sicherlich ähnlich gegangen wie mir…
Der Fehlstart
Die erste Animeserie, die im deutschen Fernsehen zu sehen war, ist Speed Racer (Originaltitel: Mach Go Go Go): die erste Folge lief am 18. November 1971.
Da war ich zwei Jahre alt, ich nehme an, das man mich zu der Zeit nicht vor den (sicherlich noch schwarz-weißen) Fernseher gelassen hat. Und »Speed Racer« hätte ich dann ganz bestimmt nicht sehen dürfen, denn direkt nach der Erstausstrahlung brach offenbar eine Welle der Ablehnung von Eltern bis Kirche über die ARD hinein, so dass schon nach der dritten Folge die Sendung wieder eingestellt wurde. Der Pressedienst »Kirche und Fernsehen« verletzte direkt das Godwinsche Gesetz: Speed Racer sei nur faschistischen Durchhaltefilmen vergleichbar
. Oha. Und auch der Spiegel schlug kräftig auf die Serie ein:
Welcher Art dieses Vergnügen ist, zeigte sich schon in der ersten Folge, die im November letzten Jahres, zwischen Bußtag und Totensonntag, im Nachmittagsprogramm gesendet wurde: Der zehnjährige Serienheld Speed startet in seinem Wunderauto „Mach 5“ zu einem „Großen Alpenrennen“, das Heidenspaß bereitet. Speeds Rivalen fliegen nämlich reihenweise aus den Kurven, schlagen Kobolz, rasen gegen Felsen, stürzen in Schluchten, verbrennen und verbluten beiderseits der Piste.
Wie aufgeregt war man bitte noch 1971.
Chiisana baikingu Bikke
Wickie und die starken Männer von Bully Herbig
Das nächste Anime, das Deutschland erreichte, kam 1974 im ZDF auf den Bildschirm und war eine deutsch-österreichisch-japanische Koproduktion: »Wickie und die starken Männer«. Von Wickie wurden zunächst 26 und dann nocheinmal 52 Folgen ausgestrahlt – obwohl es zunächst auch hier Proteste hagelte, war Wickie die erste Animeserie, die komplett gesendet wurde. Und die erste Animeserie, die ich wahrscheinlich komplett gesehen habe. Wickie war einfach genau mein Typ: nachdenken statt drauf hauen.
Welchen Einfluss diese frühen Anime-Gehversuche noch bis heute haben zeigt sich schon darin, dass der Stoff erst vor kurzem von Bulli Herbig neu aufgenommen und als Kinofilm herausgebracht wurde. Man kann sich nicht vorstellen, dass jemand meines Jahrgangs Wickie nicht kennt. Man möchte fast von der Generation Wickie sprechen, anstatt von der Generation Golf.
Und diese Biene die ich meine…
Ich habe immer gedacht, Biene Maja wäre eine tschechische Produktion. Das liegt am Titelsong von Karel Gott und daran, dass alles vieles, was mir früher im TV ausser Zeichentrick gefiel aus der (damals noch) Tschechoslowakei stammte, namentlich »Pan Tau« oder auch »Sechs Bären und Zwiebel«. Aber das ist natürlich der totale Quatsch, denn auch die Biene Maja kommt aus einem Land, das ich damals wahrscheinlich noch gar nicht kannte: Japan.
Biene Maja habe ich ehrlich gesagt gehasst. Aber meine Schwestern haben es geliebt und die waren meist in der Überzahl. So habe ich also auch mit der naseweisen Maja und dem dussligen Willi hunderte Stunden zugebracht. Schon damals galt: wer sich zu Anime hingezogen fühlte, bekamm viel zu lieben oder auch zu hassen. Allein die schiere Menge an Folgen sucht ja gerade bei »Biene Maja« von der 2. Staffeln an 52 Folgen gesendet wurden, ihresgleichen.
Lustig und bemerkenswert an Biene Maja ist ja eigentlich, dass sie die typischen Stereotypen der Animewelt aufs genaueste umsetzen, nur wo sonst jugendliche Helden die Protagonisten sind, spielen hier eben Bienen und andere Insekten die entsprechenden Rollen. Biene Maja war sozusagen die Haruhi Suzumiya der siebziger Jahre.
Studio Ghibli, ich sah Dich kommen
Hayao Miyazaki besuchte mehrmals Europa auf Recherchereise
Foto: detengase @ Flickr unter Creative Commons License.
1977 ging dann in Deutschland »Heidi (Arupusu no shōjo Haij)« auf Sendung. Obwohl ich Gitti und Erika mit dem bescheuerten Titellied, Heidi, den Almöhi, Klara und vor allem und immer wieder den beschränkten Geißen-Peter hasste wie die Pest, ist Heidi doch die Serie, die den größten Einfluss auf meinen heutige Animekonsum hatte. Das liegt ganz einfach daran, dass sie unter der Regie von Isao Takahata entstand und das Hayao Miyazaki das Szenenbild lieferte. Man war damals extra in die Schweiz gereist und fotografierte dort Szenenbilder, die dann abgezeichnet wurden und so das einmalige Layout von Heidi ergaben. Diese Technik wird vom Takahata und Miyazaki bis heute fortgeführt und das von den beiden gegründete Studio Ghibli ist das bekannteste und erfolgreichste Animestudio überhaupt, in der heutigen Zeit.
Und auch wie das Heidi-Thema für die Zeichentrickserie editiert wurde, statt des Gegensatzes zwischen arm und reich, der sich durch die Originalgeschichte von Johanna Spyri zieht, wurde der Gegensatz von Stadt- und Landleben zum Kern der Handlung, so adaptieren Studio Ghibli noch heute Märchen und Geschichten aus dem Westen für das japanische Publikum. Bekannte Beispiele: »Das wandelnde Schloss (Howls Moving Castle)« und »Ponyo«. In letzterem findet sich stark verklausuliert die Geschichte der kleinen Meerjungfrau wieder. Aber ich schweife ab…