Technischer Pessimismus
Da ich diesen Satz regelmäßig in meinen Kolumnen verwende, kann ich diese auch gleich damit beginnen: Wir hatten ja nichts! Ich weiß, den aktuellen Generationen wurden die iPhones schon in die Wiege gelegt, schon Kindergartenkinder organisieren sich in WhatsApp-Gruppen, um sich für nach dem Mittagsschlaf auf dem selbstgehosteten Minecraft-Server zu verabreden, Schüler*innen kommen heute ohne Tablet nicht mehr aus und Erziehung wird in Zukunft von ChatGPT übernommen.
Übertrieben?
Natürlich, aber nur um, auf den Punkt zu kommen: Niemand kann heute das Gefühl reproduzieren, das Menschen meiner Generation bis in die innersten Zellen des Hippocampus traf, als wir zum ersten Mal mit einem Videospiel spielen durften. Als wir mit einem kleinen Drehrad statt einem Joystick einen kleinen weißen Balken auf dem Fernseher rauf- und runterbewegen konnten, um ein kleines weißes Quadrat hin und her zu spielen. Und jedes Mal, wenn der weiße Balken das weiße Quadrat berührte, machte es dieses typische Geräusch, „Pong“, welches uns unser Leben lang begleitet hat.
In diesem Moment entstand bei uns der Glaube, dass Technik, dass Computer, für alles die Lösung sein würden, dass die Welt, wie sie uns in „Raumschiff Enterprise“ oder „Captain Future“ versprochen worden war, tatsächlich so eintreten würde. Und dieser Glaube wurde immer weiter verfestigt: Als ich meinen ersten eigenen Heimcomputer bekam, als wir begannen uns in Mailboxen auszutauschen, als das Internet aufkam. Meine Güte, Leute! Das Internet! Das World Wide Web! Und dann, „one last thing“: das iPhone. Ich könnte heute noch in Tränen ausbrechen.
War das schlau?!
Offensichtlich nicht. Weil alles so ist wie die vielzitierten blühenden Landschaften, sie blühen eben nicht. Und alles, was der Mensch anfasst, und sei es noch so fortschrittlich und magisch, wird einer Katastrophe. „Das werden wir schon noch versauen“, hätten wir eigentlich denken müssen, statt Technikgläubigkeit zu einer Religion zu machen. Meine einzige Ausrede ist, und da wiederhole ich mich: Wir waren jung, wir brauchten das Geld und vor allem und erneut: Wir hatten ja nichts.
Umso schmerzhafter ist es, wie dieses wunderbare Gefühl in mir, dieser unglaubliche und scheinbar unumstößliche Optimismus, der sich über alles legte und mich letztendlich dorthin brachte, wo ich heute stehe, langsam, aber sicher verkümmerte. Sich fast unbemerkt ins Gegenteil verkehrte. Eine Mischung wäre wahrscheinlich sogar ganz gesund gewesen, aber inzwischen bin ich wirklich zum Pessimisten mutiert. Alles, was ich in den Jahren geglaubt habe, wurde oder hat sich selbst gekillt. Alles, was Zusammenarbeit und Gemeinschaft hätte sein können, ist zu Konkurrenz und Vereinzelung verdreht worden. Was habe ich alles von social media erwartet in jenen Tagen, nur nicht, dass es der Hebel sein würde, erst das WWW und dann Teile der realen Welt in Kleptomonarchien zu verwandeln und den Faschismus weltweit wieder zu erwecken.
Insofern erwarte ich von der sogenannten KI, ganz der Pessimist der ich inzwischen bin, wahlweise, dass die Wirtschaftsblase platzt und ihre Sprengkraft uns alle in die Steinzeit zurückbombt, mindestens aber meine Altersvorsorge in ein paar trockene Kekskrümel verwandelt. Oder, dass KI zum Erfolg wird, aber, dass der Erfolg die Zerstörung meines und so ziemlich aller Arbeitsplätze sein wird und dass daraus nicht die blühende Zukunft für alle, sondern natürlich nur für die schon erwähnten Superduperreichen erwächst. Oder, dass dann doch Skynet real wird und uns die KI mit einem lustigen „I‘m sorry, Dave, I‘m afraid I can‘t do that“, endgültig das Leben aushaucht.
Thanks for visiting my TED talk.