Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Ich habe da so eine Geschichte im Gange, bei der es darum geht, in einem Jahr, namentlich dem aktuellen, möglichst viele Bücher eines der großen Literaten dieses Landes, ja vielleicht des größten Literaten überhaupt, in jedem Falle aber der Stadt in der ich nun schon viele Jahre wohne, von einer relativ kurzen Unterbrechung abgesehen, dessen Kind er also ist, also der Stadt, also ich schreib es frei heraus: von Thomas Mann, zu lesen. Zum Auftakt dieser mithin schwierigen, sicher aber schwerwiegenden Aufgabe hatte ich mir den „Zauberberg“ vorgenommen, der zwar wohl bei mir gut verfang, dann aber patati patata so schnell wieder aus dem Gedächtnis gedrängt wurde, von etwas welches inzwischen auch schon wieder nicht erinnern mir möglich ist, dass ich gänzlich vergas, darüber ihnen, meinem wohlverehrten Publikum, in Form eines Eintrages in diesem Blogge davon Bericht zu erstatten. Dies soll nun bei dem zweiten Werk dem ich mich widmete ganz anders werden, weshalb ich flugs die Feder angespitzt, mich an den Schreibtisch setzte, dann sofort wieder aufsprang, um erst in meiner kleinen Kemenate hin und her zu streichen, gleichsam einem Wolfe, der seine Beute in immer enger werden konzentrischen Formen, einkreist, um mich dann sogleich mit dem smarten Telefon behende auf die Couch zu begeben, wo ich just in diesem Moment liege, um ihnen liebes Publikum, von diesem ausgesprochen beeindruckenden Spätwerk des Autors zu berichten und diesen Bericht zu Papier zu bringen, altmodisch ausgedrückt.
Aber, wer kennt es nicht, das letztveröffentlichte Werk des Meisters, geschrieben 1910 bis 1913 und 1950 bis 1954, dessen zweiter Teil wohl schon geplant, dann aber vom Tode Manns zunichte gemacht gewesen nun doch Fragment geblieben. Man merkt dem Buche die differenten und langen Schaffensphasen an, ist die Sprache doch so bis ins letzte gedreht und gedrechselt, die Haupt- und Nebensätze mit wieder weiteren Hauptsätzen verwoben, die dann selbst wieder von mindest zwei bis zuweilen fünf Nebensätzen geschmückt werden, will sagen so manches Satzkonstrukt passt nicht mal auf eine Buchseite und mein Deutschlehrer auf dem Lyzeum seinerzeit, hätte mich erschlagen für solche Satzschlösser, aber das war auch in Delmenhorst und was ist Delmenhorst gegen Lübeck, ja was? Man weiß es nicht. In all dieser Ausgeschmücktheit nun spricht eben jener Felix Krull, der vorgibt sich zu bekennen, doch bekennt er nicht, viel mehr schmückt er sich mit all den kleinen Untaten und Betrügereien, die sein Leben durchzogen, begonnen bei Schulschwänzereien bis hin zu Diebstahl und handfesten Hochstapeleien. Sogar Spaß empfindet er dabei, all dies zu berichten und in all den hochgestochenen Worten, wohl nur um aufzuzeigen, dass es nur das Talent braucht, um jene zu betrügen, die so leicht zu betrügen sind, weil sie nur achten auf das Äußere und denen die inneren Werte nur von nachrangigem Interesse sind, gleichwohl sie sich auch gern betrügen lassen „Mundus vult decipi“, so hat es ja schon Gottfried Keller einst in eine Novelle gegossen. Dabei können wir als Leser*innen wiederum auch gar nicht sicher sein, das alles oder etwas oder irgendetwas von Krulls Bericht der Wahrheit entspricht, jedenfalls wird die Geschichte mit fortschreitender Seitenzahl des Schelmenromans immer fantastischer und dreister, ein Indiz für diesen Casus mag sein, dass eine Krankheit bei dem der Erkrankte notorisch lügt, nach ihm benannt ist. Vielleicht wollen ja auch wir hier und heute in Bausch und Bogen belogen werden, womit uns der große Nobelpreisträger aus Lübeck dann quasi doppelt hinters Licht geführt hätte.
Noch keine Kommentare.
Hinweis: Zur Zeit ist die Kommentarfunktion leider deaktiviert.