Warum?
„Nur für den Kick, für den Augenblick!“
Die Gesellschaft der Vereinigten Staaten ist tief gespalten, es lag an der Propaganda, der Männerwahn hat zugeschlagen, Elon und sein Twitter haben die Wahl entschieden, die spinnen die Amerikaner*innen. Dies nur eine Auswahl von hilflosen Erklärungen, warum die Wahl gestern so ausgegangen ist, wie sie ausgegangen ist. Kann sein, dass in allen Erklärungen ein Fünkchen Wahrheit steckt, aber zuerst einmal sind sie ein Ausdruck unseres Unverständnisses der Situation. Wie ich vorgestern schon schrob, wir für uns war die Sachr klar, warum ist es dann trotzdem Trump geworden?
Was ich aus dreißig bis fünfzig Interviews, die ich gestern gehört und gelesen habe, herausdestillieren kann ist dies:
Das mit der Spaltung der USA ist nicht so richtig wahr. Es wird von den meist knappen 50/50 Wahlergebnissen Wahlumfragen abgelesen, aber das stimmt glaube ich nicht. Vielmehr ist es so, dass es die amerikanische Politik geschafft hat, eine große Mehrheit in der Bevölkerung gegen sich aufzubringen. Der Hass auf „die da oben“ und das Mißtrauen gegen Washington, gegen „das Establishment“, zieht sich durch breite Bevölkerungsschichten, im Grunde bei allen, die nicht Politiker*innen oder Anwält*innen sind. Die Menschen hassen dabei Dems und Reps gleichermaßen.
Die Demokraten, erscheinen für uns hier schon wegen des Namens und weil sie nicht Trump sind, als die logische Entscheidung, aber das ist in den USA keineswegs die Mehrheitsmeinung. Stattdessen wird ihnen vieles angelastet von der Lewinski-Affäre, über die Aufstellung von Hillary (in einem höchst undemoktatischen Akt), selbst Obama wird in den USA nicht nicht überall als der Heilige gehandelt, wie wir ihn sehen. Und die Dems sind nicht Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders[1], sondern eben eher Nancy Pelosi und Joe Biden.
In dieser latenten Ablehnung der Wähler*innenschaft gegenüber denen, die sie wählen soll, hat dir jahrelange Propaganda gegen „das Establishment“ stark verfangen. Aber nur ein kleiner Teil der Amerikaner*innen glaubt an den großen Austausch oder das Politker*inner Kinderblut trinken. Viel mehr aber haben geglaubt, und da beginnt das für uns irre Gehabe von Donald Trump plötzlich Sinn zu ergeben, dass Trump nicht zu diesem Establishment dazugehört.
So teilt sich die Wählerschaft eher in:
- hält Trump für wählbar, weil er ist nicht Washington, versus
- hält Trump für unwählbar, aber die anderen auch, macht aber sein Kreuz beim Gegenkandidaten, quasi aus Vernunft.
- Plus die wenigen Überzeugten auf beiden Seiten.
Das Verhältniswahlrecht in den USA fördert diese Lage, da es zu einem Zwei-Parteien-System führt in dem immer alle an einem Strang ziehen, letztlich alle das gleiche tun, um sich ihren Teil der Macht zu erhalten. Siehe dazu auch Brexit.
Und so haben sich die Amerikaner*innen auf ganz anderen Grundlagen entschieden, als wir das von hier aus in Betracht gezogen haben. Da stand vielleicht eher die Frage in Vordergrund „wie geht es mir gerade persönlich und wem gebe ich dafür die Schuld?". Argumente wie „Trump war schlimm als Präsident, aber wenigstens hatte ich zu der Zeit noch einen Job“. Auch das natürlich in großen Teilen Propaganda, den USA geht es im Vergleich zum Rest der Welt hervorragend, aber trotzdem hassen alle Biden für die Inflation (die längst vorbei ist in den USA). Und dann gab es viele Dinge, die gegen Harris gesprochen haben, für die sie gar nichts konnte:
- sie hatte den Nachteil, als Bidens Ersatz gesehen zu werden und dadurch den Malus des ungeliebten Amtsinhabers (der offensichtlich taktische Fehler der Dems war, dass Biden zunächst der Quasi-Kandidat war und Harris viel zu spät kam)
- sie ist eine Frau und
- sie ist nicht weiß.
Vor allem die letzten beiden Punkte halte ich für besonders niederschmetternd und vielleicht enthalten sie mein Vorurteil über das Land der zwei unbegrenzten Möglichkeiten, aber es würde vieles erklären. Jedenfalls haben sich einfach viele, die noch 2020 zähneknirschend gegen Trump gestimmt haben, dann eher gegen die woman of color from the establishment entschieden.
Schade für die USA, für die Demokratie, für die Weltgemeinschaft, für die Nato, fürs Klima, für die Ukraine. Schade für uns. Vielleicht sollte uns das eine Lehre sein… was?! Die Ampel ist Geschichte??? Ach du sch…
AOC und Sanders kämpfen ja auch gegen „das Establishment“. Das zeigt auch nochmal, wie bekloppt das System an der Stelle ist: ihnen bleibt nichts anderes über, als innerhalb der Demokraten gegen die Demokraten zu agieren, weil sie mit einer eigenen Partei, niemals eine Chance hätten. ↩︎
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