Kein Krebs
Am 26.08.2013 ist Wolfgang Herrndorf gestorben. Fünf Jahre und einen Tag später, muss ich zum Arzt.
Kein Hirntumor, quasi das Gegenteil. Aber mein Vater hat erst vor Jahren den Krebs besiegt und hält ihn seitdem in Schach. Also eine Vorbelastung. Trotzdem habe ich vier Jahre gebraucht, mich untersuchen zu lassen. Ich bin einfach zu empfänglich für diesen speziellen Hitchcock-Horror, der sich einstellt, wenn man auf das Ergebnis einer Untersuchung warten muss.
Wenn ich meinen Vater ansehe, fühle ich mich sowieso immer wie der kleine Junge in den Siebzigern und Achtzigern, dieser Hüne von Mann mit diesen Händen groß wie zwei Bratpfannen. Der Krebs hat ihn schrumpfen lassen, oder vielmehr die Operation. Trotzdem ist das Gefühl noch da: das werde ich niemals schaffen. Da vermischt sich viel.
An so einem Tag, nachdem der Professor zu einem sagte: „Ja, ist vergrößert, aber das darf in ihrem Alter“, da kann man so viel nachdenken. Beispielsweise über die schlampige Grammatik mit der deutsche Professoren ihre Patienten beglücken, oder darüber, dass mir in letzter Zeit immer öfter irgendetwas erlaubt wird, wegen meines Alters. Ein alter weißer Mann? Ich? Achgottogottogott! Und natürlich an Wolfgang Herrndorf. Was man wohl alles noch schreiben könnte, nach einer negativen Diagnose.
Gestern dann der Anruf, pünktlich zur vereinbarten Zeit. Schweiß auf der Stirn. Ganz lapidar: nein, alles in Ordnung. So in Ordnung, dass in zwei Jahren die nächste Vorsorge anstünde, ich soll aber in einem Jahr wieder kommen, wegen meines Vaters.
Herrjeh, in einem Jahr kann man ja so viel Quatsch zusammendenken. Das wird ein Horror.
Foto von Herson Rodriguez
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