15. Die Weihnachtsfeier
Heute ist Weihnachtsfeier. Na schön. Für einige unserer neuen Mitarbeiter ist es das erste Mal und sie freuen sich bestimmt darauf, und ich will es ihnen auch gar nicht kaputt machen. Ja, oder eben doch.
Ich weiß, alle meine Leser sind in supergeilen jungen Startups angestellt, wo statt traditionellen Weihnachtsfeiern eher Saufgelage babylonischen Ausmaßes abgehalten werden. Und weil die Fluktuation so hoch ist, oder man selbst jährlich den Job wechselt, kennt dort auch niemand niemanden und alle können so richtig aus sich raus gehen. Was kostet die Welt, noch 'nen Schampus, wo ist hier der Darkroom?
Da kann ich kaum mithalten. Ich alter Sack gehe in diesem Jahr auf meine 11. Weihnachtsfeier beim gleichen Betrieb und ich schwöre diese wird genauso wie die davor und die davor und so weiter. Zwei-, vielleicht dreimal wurde die Location in den Jahren gewechselt, die Feier ist aber eigentlich immer dieselbe. Und ich glaube nicht mal, dass das an der Organisation liegt, die machen das prima. Es ist immer gleich wegen der Gäste. Wir wollen es nicht anders.
Dabei wird es von Jahr zu Jahr größer, und es kommen immer neue Leute dazu. Aber es gibt da so eine Mischung aus Location, festen Programmpunkten und Erwartungshaltung der Leute, offenbar entsteht so immer die gleiche Party. So gleich, dass ich keineswegs überrascht wäre, wenn plötzlich Bill Murray mit einem fröhlich grüßenden Murmeltier unter dem Arm vor mir stünde um zu verkünden, dass der Winter dieses Jahr lange gehen würde, weil Punxsutawney Phil seinen Schatten gesehen hätte. Oder anders, der allseits beliebte Ablauf ist immer gleich: gemeinsames Anstehen vor der Location bei einem ersten, im Plastikbecher blitzeschnell erkaltenden Glühwein. Klamotten an der Garderobe abgeben, hoffen, dass sich nicht das Garderoben-Disaster von 2007 wiederholt. Dann ein Gruppenfoto am Eingang, in witziger Verkleidung, was wird es wohl diesmal? Bau, Piraten, rechtschaffene Seeleute, Mafia, alles schon gehabt. Dann warten auf die Reden und das Essen natürlich. Hier entscheidet sich der Verlauf des Abends: wer kann am längsten Trinken ohne zu Essen und ohne dann Chefs und deren Chefs ins Wort zu fallen, wenn sie gleichzeitig für die tolle Arbeit dieses Jahres loben, aber auch eine düstere Zukunft für das nächste Jahr an die Wand malen. Schnell noch ein Seitenhieb, dann ist das Buffet eröffnet und die Meute ist glücklich. Und dann kommt der immer gleiche Deejay, da fällt mir auf, dieses Jahr wurden keine Musikwünsche eingesammelt, das lässt hoffen.
Hernach versacken alle im Kreise der Kollegen, d. h. ich muss mich immer irre beeilen, denn ich muss ja den letzten Zug nach Nirgendwo kriegen, des Pendlers eingebauter Notausgang, bevor die peinlichen Szenen beginnen, die ich nur vom Hörensagen kenne. Kleinen Moment, ein Weinchen nehme ich noch.
Ach, eigentlich ist es doch ganz schön, dass man weiß, was einen erwartet, ich freue mich schon auf heute Abend.
Bild: Ales Krivec
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