4. Mein Bewerbungsschreiben ist voller Aale
Ich habe in den Jahren nun ein paar Bewerbungen gesehen und ich frage mich ernsthaft: gibt es eine mafiöse kriminelle Vereinigung von arbeitslosen Lehrern und Sozialpädagogen, die die Welt mit schlechten Kursen, Workshops und Tipps zum Thema “Wie bewerbe ich mich richtig” überschwemmen? So wie in dem Sketch von Monty Python, wo ein Mann ein englisch-ungarisches Wörterbuch herausgibt, dessen Übersetzungen der blanke Unsinn sind, mein Lieblingssatz: »Mein Luftkissenfahrzeug ist voller Aale!«.
Anders kann ich mir nicht erklären, was so in der Welt an An- und Motivationsschreiben und Lebensläufen unterwegs ist. Und damit meine ich gar nicht die vor Unlust strotzenden Zwangsbewerbungen von Leuten, die den Job gar nicht wollen, oder jene, die auf die schnelle am Abend vorher bei Bier und Fritten zusammen geschrieben worden und voller Rechtschreib- bzw. Tippfehler sind. Klar, seine Bewerbung von niemandem gegenlesen zu lassen zeugt von Selbstvertrauen, aber möglicherweise an der falschen Stelle. Mir geht es aber vielmehr um die ausgefallenen Ideen, die Versuche aus der Masse heraus zu ragen, durch Konfetti und Knalleffekt Eindruck zu machen.
Hürde Nummer eins einer jeden Bewerbung scheint der Briefkopf zu sein. Gesegnet sind jene, die noch Schreibmaschinen kennen. Da hat man einfach seinen Namen und seine Adresse auf ein Blatt Papier hingeschrieben, ganz oben. Ebenfalls gesegnet sind die, die Wordart und Corel Draw kennengelernt haben und erkennen, dass dies unprofessioneller Quatsch ist. Arm dran sind jene, die das für Kunst halten. Oder jene die glauben, das Webdesign sich ganz leicht in Print umsetzen ließe.
Auch ein großes Problem sind Lebensläufe mit großem kreativen Anteil. Ja Tabellen sind langweilig und offenbaren schnell etwaige Lücken in der zeitlichen Abfolge, aber zu viel Icons, Unterpunkte und Themensortierung lassen womöglich Lücken entstehen beim Leser, wo vielleicht gar keine sind.
Und dann die sogenannte Skillmatrix. Wer hat denn bitte die erfunden? Die soll die Kenntnisse des Bewerbers als Selbsteinschätzung plakativ darstellen, und gleichzeitig sich in eine angenommene Skillmatrix des zukünftigen Teams einfügen. Nur, einerseits scheinen alle die gleichen Skills zu haben, und andererseits scheint man besondere Skills zum Erstellen einer solchen Grafik zu benötigen. Die grafisch dargestellten exzellenten Kenntnisse in der Nutzung von Officeprodukten interessieren vielleicht nur bei Verwaltungsangestellten. Und anderseits, die hilflose Kopie eines Bewertungsbalkens aus einer Spielezeitschrift oder Karriereportal bringt wenig, wenn sie dann 100% (von was?) Webdesign darstellen sollen. Nicht machen.
Als Antithese hier noch ein paar Tipps, bewirbt man sich in der Webbranche versuche man es einmal so:
- Sauber, cleanes und nicht überkandideltes, rechtschreibfehlerfreies Anschreiben und konservativer tabellarischer Lebenslauf (rückwärts von heute an)
- dazu als Extension eine Website die beides nochmal zur Verfügung stellt (auch als Download) und beispielsweise den ganzen Skillmatrixkram in Form von interaktiven Grafiken o.ä. darstellt, um zu zeigen. was man wirklich kann
- und dort auch eine verlinkte Liste von Referenzen
- Bonuspunkte: Githubaccount mit eigenen Projekten verlinken
Disclaimer: alles frei erfunden, ich freue mich über jede Bewerbung. Die Tipps gelten allenfalls für einen kleinen Branchenbereich, für alle anderen sind sie wahrscheinlich so viel Wert, wie ein Wörterbuch, das »Wo bitte geht’s hier zum Bahnhof« mit »Würden sie bitte heftig meinen Popo streicheln« übersetzt.
Bild: Paul Itkin
Noch keine Kommentare.
Kommentare geschlossen.